Montag, 25. Januar 2010

Buchkritik: "Vita Classica" von Steffen Möller

Auch für gelegentliche Buchkritiken sollte hier in diesem Blog Platz sein, vor allem natürlich dann, wenn sich besagte Bücher auch noch um (klassische) Musik drehen - und da gibt es ja erfreulicherweise doch schon eine ganze Menge von!

Anfangen möchte ich mit einem Buch, das ich im Herbst 2009 gelesen habe:



Zunächst muss ich voranschicken, dass ich 2008 bereits Steffen Möllers Buch "Viva Polonia" sehr gerne gelesen habe - ein meiner Meinung nach längst überfälliges Buch, das wirklich neugierig auf mehr "Polonia", also unseren immer noch recht unbekannten Nachbarn im Osten, machte..

Neugierig war ich also schon, als ich mitbekam, dass Steffen Möller ein zweites Buch geschrieben hat - eben "Vita Classica", ein Buch, in dem es ebenfalls um ein nach wie vor für viele Mitmenschen unbekanntes Terrain geht, diesmal jedoch eines der ganz anderen Art: Die große Wunderwelt der klassischen Musik!
Zunächst war ich ganz erstaunt über das Thema dieses Buches: Ich hätte nie gedacht, dass man über ein eigentlich ziemlich unscheinbar wirkendes Thema gleich ein ganzes Buch schreiben könnte, bzw. war dann aber auch wieder ganz überrascht, dass das offenbar noch niemand vor Steffen Möller getan hat...

Denn das Thema des Buches ("Junger Mensch begeistert sich für klassische Musik - wie reagiert nun sein Umfeld, also Familie, Freunde, Schulkameraden, Kommilitonen, etc. auf diesen für gefühlte 95% der Mitmenschen absonderlichen Musikgeschmack, bzw. wie verhält man sich selber als Klassik-Fan in dieser von Rock und Pop dominierten Welt?") betrifft mich auch in ganz erheblichem Maße, habe ich doch eine ähnliche Jugendzeit hinter mir und sah mich vor ebendiese Probleme auch immer wieder gestellt - aber auf die Idee, darüber gleich ein ganzes Buch zu schreiben, bin ich (leider) noch nicht gekommen....!

Meine Erwartungshaltung diesem Buch gegenüber war also entsprechend groß - ich hatte absolut keine Ahnung, wie man ca. 480 Seiten mit einem Thema wie diesem würde füllen können...
Nach der Lektüre muss ich sagen: Es erweist sich auch für Autor Möller als problematisch - der Schwerpunkt des Buches "Vita Classica" liegt dann auch über weite Strecken nicht auf "Classica" sondern auf "Vita" - Möller erzählt ausführlich aus seinem mittlerweile auch schon 40 Jahre währenden Erdendasein, seiner Jugend in Wuppertal, Studienzeit in Berlin (Philosophie) und - natürlich! - seinem heutigen Leben in Polen. Das ist natürlich eine nette Ergänzung zu seinem ersten Buch "Viva Polonia", zumal er sich dankenswerterweise durchaus mögliche Wiederholungen gewisser Schlüsselerlebnisse seiner polnischen Vita (und wie es ihn überhaupt dahin verschlagen hat) weitestgehend erspart.
Andererseits muss man aber auch sagen, dass es in dem Buch leider viele Passagen gibt, die über ziemliche Längen verfügen (das hat auch der Vater des Autors schon kritisiert, wie Möller am Ende seines Buches freimütig einräumt) - wozu dient z. B. die ziemlich ausführliche Beschreibung eines Griechenland-Trips (der für die weiteren Geschehnisse allerdings ohne große Folgen bleibt), wenn die ganze Quintessenz dieser Erlebnisse eigentlich nur darin liegt, dass der Autor hierüber konstatiert, dass diese 6-wöchige Auszeit am Mittelmeer die längste Zeit in seinem bisherigen Leben darstellte, in der er (von zwei kleinen Ausnahmen abgesehen) einmal keine klassische Musik gehört hat?
Solche für mich als Leser eindeutig zu ausführlich behandelte Episoden gibt es leider zahlreich in diesem Buch (so bringt man es eben auch auf knapp 500 Seiten!), seien es Erlebnisse mit einer radikalen Theatergruppe, Sommerferien-Deutschkurse in Russland oder ein für Nicht-Philosophie-Bewanderte ziemlich ermüdendes (weil wenig erhellendes) Name-Dropping irgendwelcher Autoren und Fachbegriffe: Oft liest man in diesem Buch zu viel über die "Vita" und dann leider eher weniger über die "Classica"...
Vielleicht habe ich - aus Neugierde über dieses mich persönlich eben auch sehr betreffende musikalische Thema - falsche oder übersteigerte Erwartungen an das Buch gehabt, jedenfalls war ich am Ende doch ein bissel enttäuscht...

Wenn Steffen Möller aber dann über seine Klassik-Liebe und seine hiermit zusamenhängenden Erlebnisse und Erfahrungen mit seinem Umfeld schreibt, habe ich viel auch für mich Bekanntes und Amüsantes gelesen - das hat mir schon sehr gefallen! Und der Fairness halber - es sollte jetzt auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass Möller kaum etwas über Klassik, dafür aber (zu)viel aus seinem Leben erzählen würde: Zum Einen hängt beides eh viel zu eng zusammen (das weiß ich aus eigener Erfahrung) und zum Anderen muss ja das Umfeld auch beschrieben werden, bevor man seine Erlebnisse schildern kann, sonst versteht der Leser ja nichts. :-)
Ich hatte bloß halt nicht damit gerechnet, dass das Buch tatsächlich eine veritable Biographie ist - irgendwie hatte ich mir das Konzept zu diesen "Bekenntnissen eines Andershörenden" (so der Untertitel des Buches) eben etwas anders vorgestellt, aber da kann ich dem Autor ja nun keinen Vorwurf machen...
Wie weit das Spektrum des "Klassik-Fans" gefächert ist, zeigt sich übrigens darin, dass Steffen Möller mit seiner Vorliebe für Symphonik des 19. Jahrhunderts (und hier vor allem Bruckner) so gar nicht auf meiner persönlichen musikalischen Wellenlänge liegt: Ich liebe Barockmusik und vor allem Opern - beides Terrains, von denen der Autor zugibt, dass er hier noch einiges zu entdecken hätte :-)
Man sieht also: Klassik-Fan muss noch lange nicht gleich Klassik-Fan sein, auch hier gibt es viele, viele unterschiedliche Typen. Bei der Lektüre des Buches hatte ich ab und an den Eindruck, dass ein "Nicht-Klassiker" vielleicht ein etwas einseitiges Bild von unsereins vermittelt bekommt - aber es ist ja auch Möllers "Vita Classica", die da üppigst und ausführlichst vor dem Leser ausgebreitet wird und nicht meine :-)

Fazit:
Etwas mehr Kürze wäre sicher nicht schlecht gewesen - bei vielem hätte man schneller auf den Punkt kommen können. Ich persönlich hätte mir hingegen noch ein bisschen "Mehr" zum Thema Klassik gewünscht - wann findet man schon einmal ein solches Buch eines Gesinnungsgenossen ;-)

P.S.: Wie schon für das Buch "Viva Polonia" hätte ich mir auch hier sehr gewünscht, wenigstens ein paar kleine Hinweise für Unwissende vorzufinden, wie man die hin und wieder abgedruckten polnischen Wortungetüme wenigstens ansatzweise auszusprechen hat, ohne dabei einen Knoten in die Zunge zu bekommen... in beiden Fällen leider vergeblich :-(

P.P.S.: Ich schlafe NIE bei geschlossenen Fenstern, habe es nie getan und werde das auch nie tun (soviel zu einer der Theorien des Autors, wie man bereits im Teenie-Alter zum Klassik-Fan weden konnte)!

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