Freitag, 28. Januar 2011

Giuseppe Verdis "Aida" - Gedanken und CD-Kritiken

Der letztwöchige Opernbesuch hat dazu beigetragen, dass ich mich in den vergangenen Tagen mal wieder etwas eingehender mit verschiedenen Aufnahmen von Verdis "Aida" beschäftigt habe.

Aida war die erste Verdi-Oper mit der ich als Teenager konfrontiert wurde, parallel dazu hatte sich damals im Rahmen eines Urlaubs am Gardasee ein Besuch in der Arena di Verona ergeben, wo es passenderweise eine Aida-Aufführung in dieser wirklich beeindruckenden Kulisse zu erleben gab! Solche Erlebnisse prägen natürlich und Aida gehört seitdem zu meinen liebsten Verdi-Opern und wurde im Lauf der Zeit eigentlich nur von La Traviata und Don Carlos in meiner persönlichen Verdi-Hitliste überrundet. Da ich mich im letzten Jahr bei meiner mühsam auf 15 meiner absoluten Lieblingsopern begrenzten Liste zwangsläufig ziemlich einschränken musste, ist die Aida dann auch nicht mit aufgenommen worden - würde ich die Liste auf 20 Plätze ausweiten, wäre sie aber - neben Mozarts Don Giovanni und seiner Entführung aus dem Serail, die ebenfalls außen vor bleiben mussten - sofort mit dabei ;-)

Aida ist für mich die routinierteste italienische Oper, die ich kenne - und das ist keinesfalls negativ gemeint: An ihr ist fast alles idealtypisch für den weltweit beliebten und bekannten Typus der romantischen Oper italienischer Machart - ein echtes Meisterwerk also! Die ganze Oper wirkt wie aus einem Guss, obwohl dahinter sicher eine Menge Arbeit gesteckt hat, was man dem Ganzen (wie eigentlich jedem gelungenen Kunstwerk) aber absolut nicht anmerkt.

Musikalisch hat Verdi für diese Oper seine gesamten reichhaltigen Erfahrungen einfließen lassen, die er im Verlauf von über 30 Jahren kompositorischer Betätigung im italienischen (aber auch französischen) Opernbusiness sammeln konnte. Große Chorszenen wechseln sich mit intensiven und hochdramatischen Auftritten der Solisten ab, dazwischen sind zusätzlich noch knapp gefasste Ballettnummern eingestreut - auch sie fügen sich nahtlos und organisch in den ganzen, ausgesprochen gelungenen Szenenablauf ein (und gerade Ballettszenen wirken in Opern ja oft wie Fremdkörper, die mit dem Rest der Handlung nicht allzu viel zu tun zu haben scheinen). So kommt es, dass Aufführungen und Aufnahmen der Aida durchweg ohne Kürzungen oder theaterspezifische Modifikationen auskommen - ganz im Gegensatz zu vielen anderen Opern, wo auch heute nach wie vor in den Noten munter gekürzt, gestrichen und umgestellt wird! Gerade das letzte Argument ist für mich ein ganz eindeutiges Zeichen, dass Verdi mit der Aida seine wohl "rundeste" Opernpartitur gelungen ist, an der einfach nichts mehr zu "verschlimmbessern" ist und aus der auch nichts mehr (vom Publikum unbemerkt) herausgestrichen werden kann!

Zum Erfolg der Aida hat mit Sicherheit aber auch das als ausgesprochen gelungen zu bezeichnende Libretto beigetragen, das Antonio Ghislanzoni (1824-1893) unter reger Mitwirkung Verdis nach einer Vorlage des französischen Ägyptologen Auguste Mariette (1821-1881) verfasst hat: Ein exotisches Sujet (in Opern immer sehr beliebt!) mit einer geradlinigen, leicht nachvollziehbaren Handlung, die nicht durch allzu große unlogische Fakten oder unwichtige Nebenhandlungen gestört wird (was in Opernlibretti nicht selbstverständlich ist!) und den Hauptpersonen genug Gelegenheiten für wirkungsvolle und im Handlungsverlauf nie deplatziert wirkende Solo- und Duettszenen (in unterschiedlichen Kombinationen) bietet. Bewundernswert ist auch die Tatsache, dass das Aida-Libretto von der Textmenge her wirklich konsequent auf das Notwendigste beschränkt ist. Die Dialoge sind denkbar knapp gefasst und Verdi kann sich musikalisch somit viel freier und flexibler ausdrücken, als wenn er weitschweifige, wortreiche und ausführliche Gesprächsszenen zu vertonen gehabt hätte (daran krankt auch so manches Opernlibretto - nicht nur bei Verdi!) - was vermutlich zu längeren, im Endeffekt dann doch immer wieder recht stereotyp klingenden Rezitativszenen geführt hätte (die wiederum dann zu Kürzungen und Strichen verführt hätten…)

Absolut operntypisch am Handlungsaufbau der Aida ist auch der Konflikt zwischen privaten und gesellschaftlichen bzw. machtpolitischen Interessen - dieser schon als klassisch zu bezeichnende Grundkonflikt ist eine nicht nur für Opern fast schon unerlässliche Zutat!

In der Aida scheitert die Liebe der Titelfigur zum Feldherrn Radamès an den gesellschaftlichen Umständen, die ein dauerhaftes Zusammenkommen der Liebenden nicht ermöglichen.

Etwas untypisch ist in dieser Oper allerdings die Konstellation der drei Hauptfiguren (Liebespaar - Rivale): Wo normalerweise ein Bass oder Bariton in der Rolle des Bösewichts neben dem heldenhaften Tenor vergeblich um die Gunst des Soprans buhlt, ist es in der Oper Aida zur Abwechslung einmal der Tenor, der zwischen zwei Damen steht, die ein amouröses Interesse an ihm haben. Typisch ist wiederum die Tatsache, dass die Rolle mit der tieferen Stimmlage (hier also die Amneris als Rolle für Alt bzw. Mezzosopran) in diesem Liebesdreieck den Kürzeren zieht - warum ist das eigentlich immer so…?

Interessant am Aida-Plot finde ich übrigens auch, dass man hieran ein paar Informationen über den Stand der Ägyptenforschung um die Mitte des 19. Jahrhunderts erkennen kann: Auch wenn das Interesse an den alten Ägyptern zur damaligen Zeit groß war und man dank der Erkenntnisse des Franzosen Champollion (1790-1832) bereits die Hieroglyphenschrift entziffert hatte, so stocherte man in vielen Bereichen in Bezug auf das legendäre Reich der Pharaonen noch im Nebel herum und konnte nur auf Mutmaßungen und Textquellen aus hellenistischer und römischer Zeit zurückgreifen, die ihrerseits ja auch schon Jahrhunderte nach der großen Epoche der Pyramidenbauer entstanden waren (richtige Fortschritte auf diesem Forschungsgebiet machte man wohl erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts).

So erklärt es sich zum Beispiel wohl auch, dass das 2. Bild des 1. Aktes von Aida im Tempel des Gottes Vulkan spielt, der ja eigentlich ein römischer Gott war. So einen Fauxpas hätte man von einem Ägyptologen wie Mariette eigentlich nicht erwartet, aber ich vermute mal, dass zur damaligen Zeit einfach noch nichts Näheres über ägyptische Kriegs- und Waffengottheiten bekannt war und man somit notgedrungen auf die Namen griechischer oder eben römischer Gottheiten zurückgreifen musste. Klugerweise legt man sich bei der Zeit der Opernhandlung nicht näher fest, die Oper spielt halt im alten Ägypten - genauer braucht man das eh nicht zu wissen und so tritt der Pharao dann auch namenlos und nur als "Il re" (der König) bezeichnet in der Oper auf.

Da man anhand zahlreicher Darstellungen zwar wusste, dass die alten Ägypter gerne und viel musiziert haben dürften (und auch welche Instrumente sie dazu benutzten), aber nicht, wie das Ganze dann geklungen hat, hat sich Verdi bei der Komposition an einigen wenigen Stellen der Oper (z. B. in der besagten Tempelszene im 1. Akt oder zu Beginn des 2. und auch des 3. Aktes) dann auch für eher arabisch-orientalisch anmutende Klänge entschieden (was sicher nicht so falsch ist) - die dominierenden Instrumente sind hier Harfen und Flöten (die ja regelmäßig auch auf den altägyptischen Darstellungen zu erkennen sind). Die langgestreckten Fanfaren, die Verdi extra für die Verwendung in der Triumphszene bauen ließ und die den Namen "Aida-Trompeten" erhalten haben, erinnern mich eher an Fanfaren aus mittelalterlichen Ritterturnier-Filmszenarien, obwohl sie ägyptischen Instrumenten nachempfunden sein sollen (aber wer weiß schon, wo die Filmleute wiederum ihre Inspiration herhatten!). Aber gerade in diesem musikalischen Bereich ist wie erwähnt ja sowieso alles Spekulation - bis heute hat sich daran nichts geändert.
Die von Verdi komponierten Priesterchöre klingen zwar archaisch und fremdartig, sind aber eindeutig an gregorianischen Chorälen orientiert - eine noch ältere musikalische Orientierungshilfe hätte er eh nicht finden können…

Ansonsten verzichtet Verdi dann aber auch klugerweise auf jede weitere antikisierende oder folkloristische Zutat und verfertigt stattdessen eine unglaublich effektvolle und leidenschaftliche Partitur im typisch italienischen Operntonfall, sogar eine "Banda", eine traditionelle Blaskapelle, die auf der Bühne zum Einsatz kommt, fehlt in der Aida nicht!

Charakteristisches Merkmal der Aida-Partitur ist eine für Verdis Verhältnisse ziemlich konsequente Verwendung von "Erkennungsmotiven" der Hauptfiguren Aida und Amneris (aber auch der Priester). Während der Aida häufig die Melodiefloskel beigegeben ist, die sie in ihrer Soloszene im 1. Akt zu den Worten "e l'amor mio?" singt, so wird die Figur der Amneris musikalisch mit einem kleinen, erregt und hektisch wirkenden Motiv verknüpft, das für mich so etwas wie zu Musik gewordene Eifersucht darstellt - Verdi ist hiermit wirklich eine sehr treffende Vertonung dieses Gefühls gelungen!
Derartige "Erkennungsmotive" hatte Verdi zum Beispiel schon im viereinhalb Jahre vor der Aida in Paris uraufgeführten Don Carlos verwendet, ich finde aber, dass er diese Technik in der Aida-Partitur noch weitaus konsequenter anwendet.
Gerade dies ist ihm von Kritikern dann auch als eine Art Kapitulation vor der Musik Richard Wagners (1813-83) vorgeworfen worden, was ich allerdings für maßlos übertrieben halte, da sich die Technik, musikalische Motive als Erkennungszeichen für verschiedene Personen oder Momente innerhalb einer Komposition zu verwenden, selbstverständlich bereits bei Komponisten vor Wagner findet und die von Wagner entwickelte "Leitmotivtechnik" (auf die Verdis Kritiker wohl abzielen) weit über das hinausgeht, was Verdi hier praktiziert.

Das Ganze zeigt für mich eher die große Verunsicherung, die Wagners so revolutionäre wie visionäre Auffassung von Musiktheater bei den damaligen Zeitgenossen ausgelöst hat - irgendwie sah man wohl gerade in Verdi als einem der letzten Vertreter der "traditionellen" romantischen italienischen Oper die letzte Bastion vor dem alles Bisherige über den Haufen zu werfen drohenden "Teutonen" Wagner und befürchtete nun, dass auch der Fels Giuseppe Verdi künstlerisch zu kapitulieren drohte. Aus heutiger Sicht ist das natürlich nicht passiert: Vergleicht man Verdi-Opern wie Don Carlos oder Aida mit zeitgleich entstandenen Wagner-Opern wie Tristan und Isolde oder dem Ring des Nibelungen, dann liegen musikalisch gesehen doch Welten zwischen den beiden Stilen - und das meine ich völlig wertfrei.

Verdis Aida ist zwar immer noch als traditionelle italienische Nummernoper erkennbar (die einzelnen Musikstücke der Oper lassen sich klar voneinander abtrennen), aber Verdi verbindet das Ganze geschickt zu größeren musikalischen Einheiten und legt nicht zuletzt durch die erwähnten Erkennungsmotive rote Fäden durch die gesamte Partitur, die einen großen Zusammenhang stiften und dazu führen, dass Aida nicht wie eine revueartige Aneinanderreihung beliebiger und in keinem erkennbaren Zusammenhang miteinander stehender Gesangs- und Instrumentalstücke wirkt.

Ich bin nicht sicher, ob Verdi das irgendwo explizit so formuliert hat, aber die Aida scheint für ihn so etwas wie der Schluss- und Höhepunkt seiner Opernkarriere gewesen zu sein. Er war nach über 30 Jahren im Operngeschäft von dem ganzen hiermit verbundenen Stress und Ärger mit Zensurbehörden, Kritikern, Sängern und Operndirektoren offenkundig so genervt, dass er wohl nicht vorhatte, nach der Aida noch einmal eine komplette neue Oper zu komponieren. Finanziell leisten konnte er sich diese Entscheidung ganz bestimmt, denn er war nicht nur im Laufe der Jahre immer erfolgreicher geworden, sondern konnte überdies für die Komposition der Aida das bis dahin höchste Honorar einstreichen, das einem Opernkomponisten bis dato gezahlt worden war! So gesehen verwundert es nicht, wenn er bei der Aida alles daransetzt, dass das Ganze auf jeden Fall ein Erfolg wird (daher zum Beispiel auch seine große Einflussnahme auf die Librettodichtung) - alles deutet für mich auf einen möglichst würdigen Karriereabschluss hin, auch wenn Verdi bei der Uraufführung der Oper am 24.12.1871 in Kairo nicht persönlich anwesend war (auch das konnte er sich zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere offenbar leisten).
Besonders faszinierend finde ich in diesem Zusammenhang dann die Tatsache, dass Verdi zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht ahnen konnte, dass er ganze 16 (!) Jahre später mit dem Otello (und dann noch mal 6 Jahre später mit dem Falstaff) seiner eh schon erstaunlichen Karriere tatsächlich noch zwei weitere Opern-Meisterwerke hinzufügen würde, mit denen er sich musikalisch sogar noch einmal ganz neue Ausdruckswelten erschließen konnte…!

Eigentlich jagt in der gesamten Aida-Partitur ein Höhepunkt den nächsten - Verdi hat geradezu verschwenderisch mit eingängigen Melodien und markanten Motiven nur so um sich geworfen.

Meine persönlichen Aida-Lieblingsstellen sind nicht unbedingt die (natürlich auch hörenswerten) berühmten Nummern wie der Triumphmarsch (neben "La donna è mobile" aus Rigoletto Verdis wohl bekannteste Melodie), die Arien von Radamès und Aida im ersten und dritten Akt oder das Schlussduett des Liebespaares, sondern die wunderbaren und ausdrucksstarken Duette Aida-Amneris (2. Akt), Aida-Amonasro und Aida-Radamès (beide im 3. Akt) und die gesamte hochdramatische 1. Szene des 4. Aktes (mit dem Duett Amneris-Radamès und der anschließenden Gerichtsszene), die in Gänze von der Figur der Amneris dominiert wird. Hier kann sich die Sängerin dieser Partie einmal so richtig verausgaben - eine tolle Herausforderung für Mezzosopranistinnen bzw. Altistinnen! Auch der Marsch, in den das ganze Ensemble im 1. Akt einfällt, um sich auf die bevorstehenden kriegerischen Auseinandersetzungen einzustimmen, hat eine mitreißende Melodie, die sich für mich jedes Mal als ein echter Ohrwurm erweist! Und die Tempelszene (2. Szene des 1. Aktes) ist ebenfalls eine grandios aufgebaute Szene, die sich vom leisen, geheimnisvoll-exotischen Beginn zu gewaltigen hymnischen Ausbrüchen steigert, in denen der ägyptische Schöpfergott Ptah angerufen wird.

Hier nun also fünf Aida-Aufnahmen (chronologisch sortiert), mit denen ich mich schon des Öfteren etwas eingehender beschäftigt habe:

Die "römische Aida" (aufgenommen 1962):

Aida: Leontyne Price
Radamès: Jon Vickers
Amneris: Rita Gorr
Amonasro: Robert Merrill
Ramfis: Giorgio Tozzi
Il re: Plinio Clabassi
Messaggero: Franco Ricciardi
Sacerdotessa: Mietta Sighele
Orchestra e Coro del Teatro dell' Opera di Roma
Dirigent: Sir Georg Solti

Die Aida war eine der zentralen Rollen für die amerikanische Sopranistin Leontyne Price, mich überrascht ihr recht dunkles Timbre - bis zu dieser Aufnahme habe ich noch keine Aida gehört, in der die Titelheldin eine derart dunkle Stimmfärbung hatte! Leontyne Price scheint trotzdem keine Mühe zu haben, auch die hohen Töne ihrer Partie zu erreichen und besticht ansonsten durch eine leidenschaftliche Interpretation, auch die Stimmen von Rita Gorr und Jon Vickers gefallen mir gut, wie überhaupt die ganze Aufnahme trotz ihres Alters von immerhin fast 50 Jahren einen guten Klang hat.
Georg Solti beginnt die Oper zunächst in einem eher gezügelten Grundtempo, im 3. und 4. Akt zieht er das Tempo - passend zur immer dramatischer werdenden Handlung - dann jedoch merklich an.

Die "Londoner Aida" (aufgenommen 1974):

Aida: Montserrat Caballé
Radamès: Plácido Domingo
Amneris: Fiorenza Cossotto
Amonasro: Piero Cappuccilli
Ramfis: Nicolai Ghiaurov
Il re: Luigi Roni
Messaggero: Nicola Martinucci
Sacerdotessa: Esther Casas
Chorus of the Royal Opera House, Covent Garden
Trumpeters of the Royal Military School of Music, Kneller Hall
New Philharmonia Orchestra
Dirigent: Riccardo Muti


Eine meiner beiden Lieblingsaufnahmen dieser Oper: Die Einspielung bietet durchweg große Stimmen - besonders die Kombination Caballé und Domingo, die beide in den 1970er Jahren auf dem Höhepunkt ihrer langjährigen Gesangskarrieren standen, gefällt mir nicht nur in dieser Aufnahme ausgesprochen gut!
Riccardo Muti dirigiert mit italienischem Feuer und Leidenschaft und schlägt ein relativ zügiges Tempo an; der Klang von Chor und Orchester ist wirklich gut! Schön wäre es gewesen, wenn unter anderem in der Triumphszene der (sicherlich groß besetzte) Chor etwas präsenter im Vordergrund stünde - ich habe da den Eindruck, dass er vom Orchester teilweise doch etwas sehr überdeckt wird. Ob es sich da um einen Fehler der Aufnahmetechnik handelt? Naja, aber das ist nur ein kleiner Wermutstropfen bei einer ansonsten rundum gelungenen Opernaufnahme.

Die "Mailänder Aida" (aufgenommen 1981):

Aida: Katia Ricciarelli
Radamès: Plácido Domingo
Amneris: Elena Obraztsova
Amonasro: Leo Nucci
Ramfis: Nicolai Ghiaurov
Il re: Ruggero Raimondi
Messaggero: Piero de Palma
Sacerdotessa: Lucia Valentini Terrani
Orchestra e Coro del Teatro alla Scala
Dirigent: Claudio Abbado

Meine zweite Favoriteneinspielung, die interessanterweise wie die Muti-Aufnahme Plácido Domingo als Radamès und Nicolai Ghiaurov als Ramfis aufweist (die mir auch hier sehr gut gefallen!), kann mit der Russin Elena Obraztsova als Amneris meine absolute Lieblingsinterpretin der Amneris als zusätzlichen Pluspunkt aufweisen! Ich finde die Interpretation dieser Rolle mit ihrem wunderbar tiefen, durch und durch leidenschaftlichen Mezzosopran ganz fantastisch, ihre Stimme fesselt mich beim Zuhören sofort! Katia Ricciarelli verleiht ihrer Aida mit ihrer klaren, leichten und irgendwie mädchenhaft wirkenden Stimme eine in dieser Partie nicht allzu oft zu hörende ganz besondere Jugendlichkeit und Unschuld - Attribute, die ja eigentlich ganz besonders zu dieser Opernfigur passen, in der Praxis aber leider oft durch die Besetzung mit deutlich schwereren Stimmen nicht richtig zur Geltung kommen. Leider hat Signora Ricciarelli in der berühmten "Nil-Arie" im 3. Akt deutlich hörbare Probleme mit den Spitzentönen, so dass ich mich frage, warum man hier während der Aufnahmearbeiten nicht versucht hat, dies zu korrigieren? Da hätte es damals doch sicherlich reichlich Gelegenheit zu gegeben?! Aber abgesehen davon gelingt ihr eine intensive und anrührende Interpretation der Titelheldin.
Sehr gut an dieser Einspielung gefällt mir der satte Orchestersound, der unter Claudio Abbados Dirigat richtig gut zur Geltung kommt, denn der Maestro kostet die dramatischen Höhepunkte der Partitur genussvoll aus und schlägt daher auch ein eher gemäßigtes Grundtempo an. Klangtechnisch bin ich ein bisschen unglücklich über die Tatsache, dass das Ganze im Vergleich zu anderen Einspielungen verhältnismäßig leise aufgenommen wurde (oder spinnt hier meine Stereoanlage?) - man ertappt sich immer wieder dabei, dass man mal eben den Lautstärkeregler für die ein oder andere Lieblingsstelle deutlich höher drehen muss, als man es sonst gewohnt ist…

Die "New Yorker Aida" (aufgenommen 1990):

Aida: Aprile Millo
Radamès: Plácido Domingo
Amneris: Dolora Zajick
Amonasro: James Morris
Ramfis: Samuel Ramey
Il re: Terry Cook
Messaggero: Charles Anthony
Sacerdotessa: Hei-Kyung Hong
Metropolitan Opera Orchestra and Chorus
Dirigent: James Levine

Interessanterweise empfinde ich Aprile Millos Stimme als relativ dunkel, während ich die Stimme von Dolora Zajick (gerade auch im Vergleich zu Elena Obraztsova) als erstaunlich hell einstufen würde, so dass sich die beiden Damen in dieser Aufnahme fast auf derselben Höhe zu begegnen scheinen! Allerdings gefällt mir Aprile Millos Interpretation in dieser Aufnahme gar nicht: Ihre manchmal ein wenig schrill wirkende Stimme finde ich etwas anstrengend, außerdem stört mich ihr stellenweise etwas zu reichhaltiges Vibrato sehr - kein Vergleich zu den Aida-Interpretationen von Montserrat Caballé oder Katia Ricciarelli! An Plácido Domingos neuerlichem Radamès habe ich auch diesmal nichts auszusetzen - seine Routine und Stimmkultur sind ja bis heute legendär.
James Levine dirigiert mit der für ihn typischen Leidenschaft (die ich sehr schätze) und kostet die pralle Dramatik - z. B. in den lustvoll ausmusizierten Schluss-Sequenzen des 3. Akts oder in der 1. Szene des 4. Akts - voll aus. Leider klingen viele Stellen in dieser Einspielung ein wenig flach, etwas mehr Raumklang hätte der ganzen Sache deutlich mehr Atmosphäre verliehen! Neben der Triumphszene gilt das besonders für den Beginn der Szene im Vulkantempel im 1. Akt: Statt geheimnisvoller Gesänge von Priesterin und Chor irgendwo in den Weiten des riesigen Tempelgewölbes klingt das Ganze hier, als stünden die Priester in einer Telefonzelle oder Duschkabine - da kommt bei mir keine Stimmung auf…

Die "irische Aida" (aufgenommen 1994):

Aida: Maria Dragoni
Radamès: Kristjan Johannsson
Amneris: Barbara Dever
Amonasro: Mark Rucker
Ramfis: Francesco Ellero D'Artegna
Il re: Riccardo Ferrari
Messaggero: Antonio Marceno
Sacerdotessa: Monica Trini
RTE Philharmonic + Chamber Choir, u. a.
The Irish Army No. 1 Band
National Symphony Orchestra of Ireland
Dirigent: Rico Saccani

Diese "No-Name-Low-Budget"-Produktion aus dem Hause NAXOS kann mit keinen weltberühmten Interpreten aufwarten wie die bisher hier vorgestellten Aufnahmen - umso mehr freut man sich dann über eine routinierte Produktion mit soliden Solisten ohne erkennbare größere Schnitzer oder "Geht-gar-nicht"-Stellen!
Der isländische Tenor Kristjan Johannsson neigt etwas zum übermäßigen Forcieren an lauteren Stellen, so dass seine Arie "Celeste Aida" nicht wie aus einem Guss rüberkommt, weil der gedachte große Bogen in diesem Solo durch sein nach den dramatisch aufgedrehten Stellen erforderliches neues Ansetzen immer wieder in kleinere Abschnitte zerfällt - diese Arie bekommt beispielsweise Plácido Domingo deutlich eleganter und "runder" hin. Auch in dieser Aufnahme stört mich das stellenweise etwas zu intensive Vibrato bei der Aida von Maria Dragoni aber auch bei Johannssons Radamès!

Interessant finde ich die Tatsache, dass neben dem RTE Chamber Choir noch mindestens fünf weitere Chorensembles (die ich hier nicht alle aufgezählt habe) an der Aufnahme beteiligt waren. Schade, dass auch hier einige Szenen etwas an klanglicher Raumtiefe vermissen lassen; so wirkt auch in dieser Aufnahme die schon erwähnte Tempelszene im 1. Akt nicht sehr geheimnisvoll, ähnlich wie die Gerichtsszene im 4. Akt, wo der Priesterchor nicht im unterirdischen Gerichtssaal sondern direkt neben der sich an dieser Stelle eigentlich allein auf der Bühne befindlichen Amneris zu stehen scheint.
Rico Saccani wählt ein relativ gebremstes Grundtempo - die ganze Aufnahme klingt wie erwähnt ausgesprochen routiniert, dadurch entsteht aber auch an vielen Stellen der Eindruck, dass das Ganze ein wenig leidenschaftslos abgespult wird. Schade.

2 Kommentare:

  1. Ein sehr schöner Artikel! Meine Lieblingsaufnahme ist die Wiener Karajan-Aufnahme mit Carlo Bergonzi, Renata Tebaldi und meiner Lieblings-Amneris Giulietta Simionato. Danach kommen für mich die Solti-Aufnahme und die Serafin-Aufnahme mit Maria Callas und Tito Gobbi, dem IMHO besten Amonasro.

    AntwortenLöschen
  2. Sehr schöner Text und Ideen.

    AntwortenLöschen