Dienstag, 22. Februar 2011

Miese Recherche

Vor mir liegt die erste 2011er Ausgabe der KlassikAkzente, das ist die Haupostille von Universal Classics (dazu gehören Label wie Deutsche Grammophon, DECCA oder ECM), die vier- oder fünfmal pro Jahr erscheint. Eigentlich finde ich diese immerhin kostenlose Kundenzeitschrift (man könnte sie respektlos auch einfach nur als Werbeheft für neu erscheinende CDs und DVDs bezeichnen) ganz amüsant, da man hier versucht, potentiellen Käufern die neuen Einspielungen in teils aufwendige Interviews oder wortgewaltige Essays verpackt durch stets neue Lobhudeleien schmackhaft zu machen.
Es ist spaßig zu lesen, wie dort sämtliche besprochene Aufnahmen immer nach dem gleichen Strickmuster überaus wortreich und eloquent in den Himmel gehoben werden - ganz egal, ob sie parallel in anderen Rezensionen total verrissen oder zumindest kritisiert werden oder man sich als Leser zumindest fragen muss, ob es die eine oder andere Neuerscheinung denn nun wirklich gebraucht hätte...
Alles egal - die Autoren der KlassikAkzente leisten ganze Arbeit und nach der Lektüre weiß man dann, dass die Welt genau diese neuen Aufnahmen schon immer gebraucht hat und man dankbar ein muss, dass sich Universal Classics dieser Sache gnädig angenommen hat *grins*
Und es gibt keine Ausgabe, in der nicht die gerade aktuell angesagten Aushängeschilder des Labels wie z. B. die unvermeidliche Anna Netrebko, Jonas Kaufmann, Piano-Schatz Lang Lang (für die Herren wahlweise auch lieber Hélène Grimaud) oder die Mezzosopranistin Elina Garanca irgendwo abgebildet, erwähnt oder zu irgendwas befragt werden (gibt ja sonst niemand anderes)... *gähn*

Naja, um fair zu bleiben - es sind natürlich auch bei Universal Classics schon ab und an ein paar interessante Neuerscheinungen dabei, auf die man sonst nicht oder erst viel später einmal aufmerksam geworden wäre, so verbinden sich dann immer praktische und unterhaltende Aspekte bei der Lektüre dieses Heftchens...

Ab und an ärgere ich mich dann aber doch schon mal über ausgesprochen lieblose, um nicht zu sagen schlampig zusammengeschusterte Artikel, denen man genau anmerkt, dass sie eigentlich nur als "Füllmaterial" dienen!

So auch im aktuellen Heft 1/2011, wo auf Seite 5 ein paar Zeilen über anstehende Komponistenjubiläen im Jahr 2011 verfasst wurden - da heißt es dann (im Vergleich zum mit zahlreichen Jubilaren gesegneten Jahr 2010) unter anderem:

Gerade einmal vier (sic!) memorable Daten stehen im Kalender, von denen zwei mit Namen verknüpft sind, über die sich vermutlich selbst ausgewachsene Musikkenner nicht unbedingt auf Anhieb des Langen und Breiten auslassen könnten: Johannes Eccard und Andreas Hammerschmidt. Da waren's nur noch zwei. Wobei der eine von beiden - Gustav Mahler - bereits anno 2010 gebührlich gefeiert wurde und sein 100. Todestag in diesem Jahr daher nur noch als "halbe Memorabilie" durchgeht. Bleibt Franz Liszt, dessen 200. Geburtstag wir am 22. Oktober feiern.


Wenn ich sowas lese, kann ich nur sagen: Der Autor oder die Autorin sollte sich wirklich mal fragen, ob er oder sie nicht ein kleines bisschen mehr Gründlichkeit an den Tag legen könnte, bevor solche im Brustton der Überzeugung mit zugegeben schwungvoller Feder hingeworfenen Behauptungen in die Welt gesetzt werden! Gerade heutzutage geht es mit der Recherche doch sooo schnell und einfach: Was findet man nicht alles für passende Gedenktage in diesem Jahr, wenn man nur die Stichwörter Komponist, 2011, Geburtstag, Jahrestag, Jubiläum etc. in eine der talentierten Internetsuchmaschinen eingibt...?!

Binnen Sekunden kann man sich diverse längere oder kürzere Zusammenstellungen aller nur erdenklichen runden Geburts- und oder Todestage für dieses Jahr ansehen (so habe ich mir schließlich auch meine jährliche Liste Anfang Januar zusammengestellt!) - und man stellt überrascht fest, dass es da eine ganze Menge mehr interessanter Gedenktage gäbe, als es dem Leser der KlassikAkzente hier suggeriert wird.
(Vielleicht hätte der Verfasser dieses Artikels mehr als nur eine der zahlreichen Seiten besuchen sollen, die einem im Netz zu diesem Thema angeboten werden, denn nicht jeder Notenverlag hat Noten aller Jubilare dieses Jahres im Programm und erwähnt daher nur die Herrschaften, deren Musik auch im eigenen Verlagsprogramm erscheint... *zwinker*)

Ich gebe zu: Im Gegensatz zu den Jahren 2010 oder 2009, die beide eine Reihe weltberühmter Komponistenjubilare aufzubieten hatten, fällt die "Ausbeute" in diesem Jahr etwas magerer aus, aber gerade die etwas unbekannteren Namen lohnen doch oft viel mehr für die Erschließung neuer musikalischer Horizonte, oder?
Und ich finde es schon sträflich, in einem Artikel wie dem oben erwähnten die 100. Geburtstage von Jehan Alain und Gian Carlo Menotti oder den 200. von Ambroise Thomas einfach zu ignorieren ebenso wie die 100. Todestage von Johan Svendsen und Alexandre Guilmant oder den 150. von Heinrich Marschner!
Witzigerweise kennt man weder von den stattdessen erwähnten Herren Andreas Hammerschmidt noch von Johannes Eccard das genaue Geburts- bzw. Sterbedatum im betreffenden Jahr 1611, so dass man gar nicht genau sagen kann, wann denn nun eigentlich genau der jeweilige Gedenktag sein soll :-)

Aber was soll man sich bei Universal Classics auch Gedanken um solche völlig nebensächlichen Herren machen? Von allen hier erwähnten Komponisten (bzw. deren Werken) gibt es nämlich keine erhältliche Aufnahme irgendeines Werks im Gesamtkatalog dieses selbsternannten "Marktführers"...! Da muss man sich dann auch in der Redaktion nicht groß die Mühe machen, nach weiteren dieser unbekannten und damit ja auch völlig unwichtigen Herren zu suchen.

Immerhin - ein paar Jubilare hätte man erwähnen können, von denen geneigte Käufer aus diesem Grund eventuell dann doch noch Musik hätten erwerben wollen, die tatsächlich auch bei den zahlreichen Labels von Universal Classics erhältlich gewesen wäre und die man in dem Zusammenhang mal wieder offensiv hätte vermarkten können - aber auch diese Chance wurde vertan...

Nur drei kleine spontane Beispiele (die aber vermutlich alle zuwenig "Glamour" besitzen - denn darauf kommt es schließlich heute an!):

In diesem Jahr wäre der 1992 verstorbene Argentinier Astor Piazzolla 90 Jahre alt geworden.

Vor 75 Jahren starb der italienische Komponist Ottorino Respighi.

Der amerikanische Komponist Steve Reich feiert am 3. Oktober 2011 seinen 75. Geburtstag.


Alles muss man selber machen! ;-)

1 Kommentar:

  1. Gut geschrieben. Ich glaube nicht was in diesem Magazin alles steht. Es ist eine reine Produktwerbung für DG und co.

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