Donnerstag, 16. Juni 2011

Johan Svendsen - 100. Todestag

Urlaubsbedingt komme ich erst heute dazu, an den norwegischen Komponisten Johan Svendsen zu erinnern, der am 14. Juni vor genau 100 Jahren gestorben ist.

Für die Musik skandinavischer Komponisten habe ich schon immer eine Schwäche gehabt (angefangen bei Edvard Grieg [1843-1907], dessen "Peer Gynt"-Suiten zu den ersten Klassik-Aufnahmen gehörten, die ich als Kind geschenkt bekommen habe!).
Ich weiß auch nicht, woran es liegt, dass mich die Musik von Grieg & Co. so anspricht (denn es ist ja nicht so, als würde alles, was in Skandinavien gegen Ende des 19. Jahrhunderts komponiert wurde, gleich klingen!) - vielleicht ist es die oft sehr gelungene Verbindung nordisch-volkstümlicher Melodik mit einer irgendwie immer wieder anklingenden Melancholie und Sehnsucht, die die klassische Musik aus Skandinavien für mich so unwiderstehlich macht…

Jedenfalls bin ich irgendwann neugierig geworden, was es da alles noch an Musik zu entdecken geben könnte, die zur Abwechslung einmal nicht von Edvard Grieg komponiert wurde - und ich war wirklich überrascht, wie groß die Vielfalt hier war (aber auch, wie sehr Griegs zentrale Gestalt viele seiner Musikerkollegen nach wie vor total an den Rand drängt)!

Aus Finnland kennt man hierzulande sicher noch Jean Sibelius (1865-1957) und hat eventuell auch schon einmal Namen wie Niels Gade (1817-90), Carl Nielsen (1865-1931) (beide aus Dänemark) oder Wilhelm Stenhammar (1871-1927) (Schweden) gehört - aber wie oft bekommt man schon mal Musik dieser Komponisten zu hören?

Ganz ähnlich verhält es sich auch mit Johan Svendsen (1840-1911), der neben Grieg, Christian Sinding (1856-1941), Johan Halvorsen (1864-1935) und natürlich Ole Bull (1810-80) der wohl bekannteste norwegische Komponist sein dürfte: Auch Svendsen, der mit Grieg gut befreundet war, steht heute total im Schatten seines (zumindest außerhalb Skandinaviens) deutlich berühmteren Zeitgenossen.


Geboren in Oslo (das damals noch zu Ehren des Dänenkönigs Christian IV. "Christiania" hieß) ging Svendsen wie viele junge Musiker aus ganz Europa (und sogar Nordamerika!) zu dieser Zeit zum Studium nach Leipzig, wo er das Konservatorium besuchte (das offenbar ein entsprechendes internationales Renommee besaß!) und dort unter anderem von Carl Reinecke unterrichtet wurde, so wie es auch beim schon erwähnten Edvard Grieg, aber auch bei Arthur Sullivan (1842-1900) oder Christian Sinding der Fall war (um nur einige weitere Namen zu nennen!).

In späteren Jahren kam Svendsen als Dirigent weit herum, war aber auch in Christiania und in seinen letzten Lebensjahren dann in Kopenhagen tätig, wo er vor genau 100 Jahren verstorben ist.

Typisch für Svendsens Musik ist seine interessante Symbiose aus norwegisch-skandinavisch-folkloristischen und den eher klassizistisch-romantischen Elementen, die er sich mit Sicherheit vor allem während seiner Studienzeit in Deutschland angeeignet haben dürfte.

Zu den Kompositionen:
Einigermaßen bekannt sind seine vier Norwegischen Rhapsodien (opp. 17, 19, 21, 22), zu denen er sich von den Ungarischen Rhapsodien von Franz Liszt (1811-86) inspirieren ließ: Mitreißende Orchestermusik im von Svendsen stets bevorzugten klassisch-romantischen Tonfall, die unter anderem norwegisch-volkstümlich klingende Melodien und Motive enthält - im Gegensatz zu seinem Freund Grieg hat sich Svendsen aber nie in dem selben Maß für die Folklore seines Heimatlands eingesetzt.

Mir persönlich liegen die beiden Sinfonien Svendsens (Nr. 1 D-Dur op. 4 [1867] und Nr. 2 B-Dur op. 15 [1876]) besonders am Herzen: Charakteristisch ist seine an Vorbildern wie Mendelssohn orientierte musikalische Ausdrucksweise - da hat ihn seine Ausbildung in Leipzig wirklich sehr geprägt!

Er beherrscht den Umgang mit dem Orchester souverän und beide handwerklich wirklich bravourös gearbeiteten Sinfonien enthalten eine Fülle schöner Motive, lyrische und sehr schwungvolle Passagen - man kann sich nur wundern, dass man hier bei uns diese ausgesprochen wirkungsvollen und ansprechenden Sinfonien eigentlich so gut wie nie zu hören bekommt!

Und immer wieder gibt es da diese ganz typisch "norwegischen Momente" in diesen Sinfonien (z. B. im zweiten und im letzten Satz der 1. Sinfonie oder im ersten Satz der 2. Sinfonie), wo man plötzlich innehält, weil man sich unter anderem an die (hierzulande ja wesentlich bekanntere) Musik Griegs erinnert fühlt und einen diese typische und unverkennbare sanfte melancholische Stimmung verzaubert, die anscheinend eine Spezialität der Skandinavier zu sein scheint…


Gerade die beiden Sinfonien Svendsens sind häufiger eingespielt worden - ich persönlich schätze besonders eine Aufnahme aus dem Jahr 1987 mit den Osloer Philharmonikern unter der Leitung von Mariss Jansons.

Aber auch die Kammermusik für Streicher, das Violinkonzert A-Dur op. 6 oder die beliebte Romanze für Violine und Orchester G-Dur op. 26 kann ich nur wärmstens empfehlen!



Wer die Musik von Edvard Grieg mag und gerne mal Kompositionen eines anderen Norwegers hören möchte, ist bei Johan Svendsen genau richtig!

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