Donnerstag, 22. Dezember 2011

Hugo Distler - Die Weihnachtsgeschichte

Kurz vor den Feiertagen möchte ich hier noch ein kleines aber feines weihnachtliches Musikstück vorstellen:

Es handelt sich um das Chorwerk "Die Weihnachtsgeschichte", das Hugo Distler (1908-42) im Jahr 1933 komponiert hat und das im Dezember desselben Jahres in Lübeck (wo Distler von 1931 bis 1937 als Kantor tätig war) uraufgeführt wurde.

Die Weihnachtsgeschichte op. 10 für vierstimmigen gemischten Chor a cappella und vier Vorsänger, wie Distlers Komposition mit vollständigem Titel heißt, ist eine wunderbar besinnliche Komposition, die ganz auf den sonst oft weihnachtsüblichen Pomp und Lärm verzichtet und stattdessen ausschließlich auf die Wirkung und Kraft der menschlichen Stimme setzt.

In diesem ca. 40-minütigen Chorwerk werden mehrere Episoden der bekannten Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas- und dem Matthäusevangelium von einem Erzähler (zu Bachs Zeiten hätte dieser den Titel Evangelist erhalten) vorgetragen - hinzu kommen noch die der Geburt vorangehende Verkündigung des Engels an Maria sowie deren Besuch bei ihrer Cousine Elisabeth und zum Schluss noch die Begegnung des greisen Simeon mit dem neugeborenen Jesus im Tempel zu Jerusalem.

Eingerahmt werden diese erzählerischen Abschnitte (in denen - ganz nach der Tradition - der Chor den Part der Hirten, Engel und Weisen aus dem Morgenland und die Solostimmen die Worte der Einzelpersonen der Geschichte übernehmen) von zwei längeren, motettenartigen Chorsätzen. Während der Rest der Weihnachtsgeschichte so knapp und einfach wie möglich gehalten ist, wird Distlers Komposition zum Ein- und Ausklang etwas ausführlicher, wenn er hier die Bibelworte "Das Volk, so im Finstern wandelt" (aus Jesaja Kapitel 9) und zum Abschluss "Also hat Gott die Welt geliebt" (aus dem Johannesevangelium Kapitel 3) in seinem unverkennbaren Stil gestaltet - mit interessanten rhythmischen Passagen und Vokalauszierungen sowie mitunter unerwarteten harmonischen Wendungen, das Ganze aber immer sehr textverständlich und transparent!

Charakteristisch für Distler ist sein Anspruch an eine gewisse Einfachheit im Ausdruck (die deswegen nicht plump oder einfallslos daherkommen muss - darin liegt ja gerade die Raffinesse!) und die größtmögliche Tauglichkeit seiner Musik für die liturgische Praxis im Gottesdienst, was den Verzicht auf jeglichen unnötigen aufführungstechnischen Aufwand für seine geistlichen Chorwerke erklärt.

Zwischen die einzelnen Episoden der Weihnachtsgeschichte (auch die Solisten singen völlig ohne jede Instrumentalbegleitung) fügt Distler quasi als gliederndes und verbindendes Element immer wieder Strophen des bekannten Weihnachtslieds "Es ist ein Ros entsprungen" ein, die er sehr kunstvoll jedes Mal in neuem Stimmsatz erklingen lässt. An der Stelle, wo die Alt-Solistin Marias Lobgesang "Meine Seele erhebt den Herrn" (das Magnificat) erklingen lässt, kombiniert Distler diesen sogar mit einer gleichzeitig vom Chor vorgetragenen weiteren Liedstrophe - ausgesprochen raffiniert!

Ich mag Distlers Weihnachtsgeschichte auch deswegen so gern, weil man beim Zuhören wirklich zur Ruhe kommt und der eigentlich in- und auswendig bekannten Weihnachtserzählung jedes Mal aufs Neue wieder konzentriert lauscht - ich mag diese besinnliche, leichte und zugleich freudig-erwartungsvolle Stimmung, die von dieser Musik ausgeht und kann mich ihrer Wirkung nicht entziehen!
Distler wurde bei der Konzeption und Komposition seiner Weihnachtsgeschichte hörbar von ähnlichen Kompositionen von Heinrich Schütz (1585-1672) inspiriert (man vergleiche Distlers Werk nur einmal mit der "Historia der Geburt Christi"!), dessen Musik er sehr schätzte und bewunderte.

Live muss das Ganze bestimmt eine noch unmittelbarere Wirkung entfalten, leider - zumindest habe ich diesen Eindruck - wird Distlers Weihnachtsgeschichte offenbar nicht allzu häufig aufgeführt, dabei spräche die Tatsache, dass man für eine Aufführung weder Orgel oder Orchester noch gewaltige Chormassen benötigt, eigentlich für eine größere Verbreitung dieses Werks. Also muss man sich wohl mit den auch nicht gerade zahlreich vorhandenen CD-Aufnahmen behelfen.

Ich besitze eine Einspielung dieses Werks aus dem Jahr 1979 mit dem Leipziger Thomanerchor unter der Leitung seines damaligen Kantors Hans-Joachim Rotzsch, der mit seinem angenehm zu hörenden Tenor auch die Solistenrolle des Erzählers übernommen hat.


Die Akustik (Aufnahmeort war die Leipziger Paul-Gerhardt-Kirche) ist gut - eine gelungene Mischung aus leichtem Hall (der ein natürliches Raumgefühl vermittelt), ohne im Gegenzug an Transparenz und der Durchhörbarkeit einzelner Stimmen zu verlieren.

Auf diesem Wege wünsche ich allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs ein paar schöne und hoffentlich auch musikalische Weihnachtstage!

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