Mittwoch, 29. Juni 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Nach zwei Wochen urlaubsbedingter Abstinenz bin ich dann heute endlich wieder dazu gekommen, das wöchentliche Mittagskonzert in der Düsseldorfer Johanneskirche zu besuchen (ich hatte schon Entzugserscheinungen *zwinker*)...

Wolfgang Abendroth erfreute die mittägliche Orgel-Fangemeinde heute mit drei Stücken, die alle so um die vorletzte Jahrhundertwende herum entstanden sein dürften:

Théodore Dubois (1837-1924)
Offertoire d-moll

Claude Debussy (1862-1918)
aus der "Petite Suite" für Klavier: "Ballet"
(Transkription für Orgel von Léon Roques)

Max Reger (1873-1916):
Phantasie und Fuge über den Namen "B-A-C-H" op. 46


Ein spätromantisches Programm, das wirklich keine Wünsche offenließ - vor allem das große Reger-Werk bot unserem Organisten sowohl die Möglichkeit, seine bewundernswerte Virtuosität unter Beweis zu stellen, wie auch die klanglichen Möglichkeiten seines beeindruckenden Instruments wieder einmal voll ausreizen zu können: Ein opulenter Klangrausch, für den im wahrsten Sinne des Wortes alle Register gezogen wurden! ;-)

Dienstag, 21. Juni 2011

Zuletzt gehört...


Immer wieder gern gehört und seit Jahren eine meiner Lieblings-CDs: Das im Jahr 2002 erschienene Debut-Solo-Recital von Juan Diego Flórez, auf dem er ausschließlich Tenor-Arien aus Rossini-Opern singt, begleitet von Coro Sinfonico und dem Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi unter der Leitung von Riccardo Chailly.
Was für eine wunderbare Aufnahme! Meiner Meinung nach immer noch die beste CD des sympathischen peruanischen Tenors und definitiv eines der gelungensten und überzeugendsten Recitals überhaupt! Die thematisch überzeugende reine Rossini-Zusammenstellung vermeidet den Eindruck eines wahllosen "Opern-Flickenteppichs" unterschiedlichster Epochen, Nationalitäten und Komponisten, wie man ihn leider auf fast jeder Arien-CD eines neuen Opernstars vorfindet.

Parallel zu seiner kometenhaften internationalen Bühnenkarriere, die vor ungefähr 10 Jahren so richtig ins Rollen kam, lieferte Juan Diego Flórez mit diesen Rossini-Arien eine unwiderstehliche klingende Visitenkarte seines bevorzugten Repertoires ab - und dass er sich im Klangkosmos Rossinis absolut heimisch fühlt, hört man wirklich an jedem gesungenen Ton:
Es ist mir selten passiert, dass ich beim Anhören einer Gesangs-CD auf Anhieb derart fasziniert und begeistert war, wie damals, als ich diese Aufnahme erstmals im CD-Player hatte - die offenkundige Freude des Sängers an dieser wunderbar leichtfüßigen und so durch und durch italienischen Opernmusik übertrug sich quasi sofort auf den Zuhörer!

Wie sehr Rossini damals sein Publikum in Entzücken, ja Raserei versetzte, kann man anhand dieser auf dieser CD versammelten Tenor-Arien aus den Opern Semiramide, Otello, Il barbiere di Siviglia, La gazza ladra, L'Italiana in Algeri, Zelmira, La donna del lago und La Cenerentola gut nachvollziehen - der Mann hatte einfach ein Händchen für eingängige Melodien, grandiose Steigerungen und optimale Gesangslinien. Für uns heutige Zuhörer ist es allerdings erstaunlich, dass man den Arien durch die Bank nicht anhören kann, ob sie einer ernsten oder komischen Oper entstammen - zu Rossinis Zeit machte ein solches Kriterium allerdings auch keinen großen Unterschied, Hauptsache, der Sänger oder die Sängerin konnte auf der Bühne mit seinem/ ihrem Vortrag glänzen und das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißen; eine Tatsache übrigens, die dem nachhaltigen Erfolg der meisten Rossini-Opern allerdings sowohl unter gesangstechnischen wie auch dramaturgischen Gesichtspunkten sehr im Wege gestanden hat...

Mich erstaunt die Selbstverständlichkeit, mit der Juan Diego Flórez die auf dieser CD zu hörenden Arien vorträgt - als wäre es die normalste Sache der Welt, bewältigt er halsbrecherische Koloraturen und sonstige technische Tücken, meistert die höchsten Töne und verleiht dem Ganzen durch seinen hörbar gutgelaunten und scheinbar mühelosen Vortrag die in der Musik ja schon angelegte Leichtfüßigkeit ohne überhaupt jemals angestrengt und forciert zu klingen. Es macht wirklich Spaß, ihm zuzuhören - die gute Laune dieser Musik tut schnell ihre sonnig-südländische Wirkung ;-)

Besonders gut gefällt mir auf dieser CD die in den meisten Aufnahmen (und Inszenierungen) gestrichene große Szene des Conte Almaviva "Cessa di più resistere" aus Rossinis bekanntester Oper, dem Barbier von Sevilla - ein echtes Plädoyer dafür, diese Arie auch auf unseren Bühnen häufiger einmal präsentiert zu bekommen!

Und - mein Lieblingsstück dieser Aufnahme - die Arie des Idreno aus der Oper Semiramide: Eine fantastische Interpretation - wirkungsvoll und konsequent gesteigert bis hin zum großartigen Schluss!
Wenn man die Einspielung dieser Arie mit anderen Aufnahmen dieses Stücks vergleicht, merkt man erst, mit welchem Schwung und welcher konkurrenzlosen Leichtigkeit alle Beteiligten hier zu Werke gehen.

Ich habe mir z. B. in direktem Kontrast zu Flórez mal die Interpretation von Frank Lopardo angehört, die dieser im Rahmen der Gesamtaufnahme der Semiramide mit Cheryl Studer in der Titelrolle (erschienen bei der Deutschen Grammophon im Jahre 1994) abgeliefert hat: Das Tempo ist hier deutlich langsamer, alles wirkt im Ausdruck wesentlich gebremster und zurückhaltender und so wacker sich Lopardo auch schlagen mag - im Vergleich zu Flórez wirkt er angestrengter und zum Teil vorsichtiger an heiklen Stellen.
Die Begeisterung, die beim Hören der Flórez-Aufnahme quasi sofort da war, wollte sich hier partout nicht einstellen - ich hatte streckenweise sogar den Eindruck, eine ganz andere Arie zu hören, wirklich ein eklatanter Unterschied! Danach weiß man die Leistung des "peruanischen Tenorwunders" noch viel mehr zu würdigen.
Für mich ist die "Rossini Arias"-CD definitiv eine Aufnahme für die einsame Insel: Als Tenor-, als Opern-, als Rossini- und natürlich als Juan Diego Flórez-Fan!

Freitag, 17. Juni 2011

2. Blog-Geburtstag!

... und schon wieder ist ein Jahr rum - seit nunmehr genau 2 Jahren blogge ich nun schon hier im unendlich weiten Reich der klassischen Musik herum!
Ich hätte zu Beginn nie gedacht, dat isch dat Janze hier tatsächlich so konsequent und ohne größere Unterbrechungen durchhalten würde, aber es macht nach wie vor großen Spaß, mich hier über meine große Leidenschaft auslassen zu können und wenn die Rahmenbedingungen so sind, dann vergeht die Zeit ja sowieso wie im Fluge...

In diesem Sinne also: Auf geht's ins dritte Jahr! *Tusch*

Ausgesprochen musikalische Grüße vom KLASSIKer aus Köln

Donnerstag, 16. Juni 2011

Johan Svendsen - 100. Todestag

Urlaubsbedingt komme ich erst heute dazu, an den norwegischen Komponisten Johan Svendsen zu erinnern, der am 14. Juni vor genau 100 Jahren gestorben ist.

Für die Musik skandinavischer Komponisten habe ich schon immer eine Schwäche gehabt (angefangen bei Edvard Grieg [1843-1907], dessen "Peer Gynt"-Suiten zu den ersten Klassik-Aufnahmen gehörten, die ich als Kind geschenkt bekommen habe!).
Ich weiß auch nicht, woran es liegt, dass mich die Musik von Grieg & Co. so anspricht (denn es ist ja nicht so, als würde alles, was in Skandinavien gegen Ende des 19. Jahrhunderts komponiert wurde, gleich klingen!) - vielleicht ist es die oft sehr gelungene Verbindung nordisch-volkstümlicher Melodik mit einer irgendwie immer wieder anklingenden Melancholie und Sehnsucht, die die klassische Musik aus Skandinavien für mich so unwiderstehlich macht…

Jedenfalls bin ich irgendwann neugierig geworden, was es da alles noch an Musik zu entdecken geben könnte, die zur Abwechslung einmal nicht von Edvard Grieg komponiert wurde - und ich war wirklich überrascht, wie groß die Vielfalt hier war (aber auch, wie sehr Griegs zentrale Gestalt viele seiner Musikerkollegen nach wie vor total an den Rand drängt)!

Aus Finnland kennt man hierzulande sicher noch Jean Sibelius (1865-1957) und hat eventuell auch schon einmal Namen wie Niels Gade (1817-90), Carl Nielsen (1865-1931) (beide aus Dänemark) oder Wilhelm Stenhammar (1871-1927) (Schweden) gehört - aber wie oft bekommt man schon mal Musik dieser Komponisten zu hören?

Ganz ähnlich verhält es sich auch mit Johan Svendsen (1840-1911), der neben Grieg, Christian Sinding (1856-1941), Johan Halvorsen (1864-1935) und natürlich Ole Bull (1810-80) der wohl bekannteste norwegische Komponist sein dürfte: Auch Svendsen, der mit Grieg gut befreundet war, steht heute total im Schatten seines (zumindest außerhalb Skandinaviens) deutlich berühmteren Zeitgenossen.


Geboren in Oslo (das damals noch zu Ehren des Dänenkönigs Christian IV. "Christiania" hieß) ging Svendsen wie viele junge Musiker aus ganz Europa (und sogar Nordamerika!) zu dieser Zeit zum Studium nach Leipzig, wo er das Konservatorium besuchte (das offenbar ein entsprechendes internationales Renommee besaß!) und dort unter anderem von Carl Reinecke unterrichtet wurde, so wie es auch beim schon erwähnten Edvard Grieg, aber auch bei Arthur Sullivan (1842-1900) oder Christian Sinding der Fall war (um nur einige weitere Namen zu nennen!).

In späteren Jahren kam Svendsen als Dirigent weit herum, war aber auch in Christiania und in seinen letzten Lebensjahren dann in Kopenhagen tätig, wo er vor genau 100 Jahren verstorben ist.

Typisch für Svendsens Musik ist seine interessante Symbiose aus norwegisch-skandinavisch-folkloristischen und den eher klassizistisch-romantischen Elementen, die er sich mit Sicherheit vor allem während seiner Studienzeit in Deutschland angeeignet haben dürfte.

Zu den Kompositionen:
Einigermaßen bekannt sind seine vier Norwegischen Rhapsodien (opp. 17, 19, 21, 22), zu denen er sich von den Ungarischen Rhapsodien von Franz Liszt (1811-86) inspirieren ließ: Mitreißende Orchestermusik im von Svendsen stets bevorzugten klassisch-romantischen Tonfall, die unter anderem norwegisch-volkstümlich klingende Melodien und Motive enthält - im Gegensatz zu seinem Freund Grieg hat sich Svendsen aber nie in dem selben Maß für die Folklore seines Heimatlands eingesetzt.

Mir persönlich liegen die beiden Sinfonien Svendsens (Nr. 1 D-Dur op. 4 [1867] und Nr. 2 B-Dur op. 15 [1876]) besonders am Herzen: Charakteristisch ist seine an Vorbildern wie Mendelssohn orientierte musikalische Ausdrucksweise - da hat ihn seine Ausbildung in Leipzig wirklich sehr geprägt!

Er beherrscht den Umgang mit dem Orchester souverän und beide handwerklich wirklich bravourös gearbeiteten Sinfonien enthalten eine Fülle schöner Motive, lyrische und sehr schwungvolle Passagen - man kann sich nur wundern, dass man hier bei uns diese ausgesprochen wirkungsvollen und ansprechenden Sinfonien eigentlich so gut wie nie zu hören bekommt!

Und immer wieder gibt es da diese ganz typisch "norwegischen Momente" in diesen Sinfonien (z. B. im zweiten und im letzten Satz der 1. Sinfonie oder im ersten Satz der 2. Sinfonie), wo man plötzlich innehält, weil man sich unter anderem an die (hierzulande ja wesentlich bekanntere) Musik Griegs erinnert fühlt und einen diese typische und unverkennbare sanfte melancholische Stimmung verzaubert, die anscheinend eine Spezialität der Skandinavier zu sein scheint…


Gerade die beiden Sinfonien Svendsens sind häufiger eingespielt worden - ich persönlich schätze besonders eine Aufnahme aus dem Jahr 1987 mit den Osloer Philharmonikern unter der Leitung von Mariss Jansons.

Aber auch die Kammermusik für Streicher, das Violinkonzert A-Dur op. 6 oder die beliebte Romanze für Violine und Orchester G-Dur op. 26 kann ich nur wärmstens empfehlen!



Wer die Musik von Edvard Grieg mag und gerne mal Kompositionen eines anderen Norwegers hören möchte, ist bei Johan Svendsen genau richtig!

Donnerstag, 9. Juni 2011

Das Bonmot für Zwischendurch...

Heute möchte ich zwei Aussprüche präsentieren, die sich thematisch gut ergänzen und dazu anregen, die sonst übliche Sichtweise der Dinge wieder einmal zu hinterfragen:

"Und ich habe mich so gefreut!", sagst du vorwurfsvoll, wenn dir eine Hoffnung zerstört wurde.
Du hast dich gefreut - ist das nichts?

Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916)

Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das große vergebens warten.

Pearl S. Buck (1892-1973)

Mittwoch, 8. Juni 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wolfgang Abendroth spielte heute ein dreiteiliges Programm für uns, bestehend aus je einem Werk aus den Epochen Barock - Moderne - Romantik (in dieser Reihenfolge):

J. S. Bach (1685-1750)
Toccata und Fuge d-moll BWV 538 "Dorisch"

Olivier Messiaen (1908-92)
aus "L'Ascension" ("Die Himmelfahrt")
4. Satz: Prière du Christ montant vers son Père ("Gebet des zu seinem Vater aufsteigenden Christus")

Max Reger (1873-1916)
Introduktion und Passacaglia d-moll o. op.


Bachs "dorische" Toccata und Fuge in d-moll (der Beiname dient lediglich der Unterscheidung zur noch berühmteren Toccata und Fuge d-moll BWV 565!) bildete den Auftakt des heutigen, gut besuchten Mittagskonzerts - ein echter Orgelklassiker mit ausgesprochen eingängigen Themen, an dem man sich einfach nicht satt hören kann!

Als ruhiger Mittelpunkt des Konzerts diente dann der vierte Satz aus Messiaens Himmelfahrts-Zyklus - sehr meditativ, in typisch Messiaen'scher Harmonik - das ist diese unwiderstehliche Klangsprache, die Olivier Messiaen für seine Kompositionen gefunden hat, die weder ihre Entstehungszeit im 20. Jahrhundert leugnet, noch irgendwelchen kompositorischen "Trends" der damaligen Avantgarde hinterherläuft (und damit auf wunderbare und unverwechselbare Art und Weise völlig zeitlos wirkt)!

Zum Abschluss dann ein "echter" Reger: Typischerweise arbeitet er mit alten Kompositionsformen (hier eine Passacaglia), die er in ein für ihn charakteristisches spätromantisches Gewand bettet: Große dramatische Gesten, dargeboten mit vollem Orgelwerk; reichhaltige Akkorde mit üppigen harmonischen Entwicklungen und jeder Menge dissonanten Reibungen, die sich dann doch immer wieder auf wundersame Art und Weise auflösen - großes "Orgelkino" eben!

Gerade heute zeigte sich angesichts dieses stilistisch so weit gefächerten Programms wieder einmal Abendroths Fähigkeit, für jedes dieser Stücke den richtigen Tonfall (und vor allem auch die adäquate Registrierung) zu finden - dafür hat er im wahrsten Sinne des Wortes wirklich "ein Händchen"! ;-)

Montag, 6. Juni 2011

Buchkritik: 1001 Klassik-Alben

… und wieder einmal geht es um das Phänomen (oder den Zwang?), alles nur Erdenkliche in Listen packen zu müssen:
Ausgehend von den vor allem im angloamerikanischen Bereich offensichtlich seit einigen Jahren schon ausgesprochen beliebten Büchern mit diesen ominösen "100 (oder besser gleich 1000) Dingen", die man getan, besucht, bereist, gelesen, gegessen, angeschaut oder gehört haben soll, "bevor das Leben vorbei ist" ("... before you die", wie es im Original viel direkter und drastischer heißt!), hat es in den letzten Jahren auch hier bei uns eine Flut von Büchern mit derartigen Listen gegeben (oft waren es eh nur Übersetzungen aus dem Englischen), wobei man immer wieder erstaunt ist, zu welch noch so abwegig erscheinenden Themenbereichen es mittlerweile schon diese Aneinanderreihungen ach so unverzichtbarer Orte, Filme, Bücher, Getränke usw. gibt, ohne deren Kenntnis ein erfülltes Leben offenbar nicht möglich ist!

Zugegeben: Die meisten dieser Bücher interessieren mich absolut nicht (zumal ich z. B. von Architektur nicht allzu viel Ahnung habe, so dass ich eh nicht beurteilen könnte, wie gut oder repräsentativ die vorgestellte Auswahl ist in einem Buch mit dem Titel "1001 Gebäude, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist" - kein Scherz, diesen Band gibt es wirklich!) und ich verstehe das Ganze daher grundsätzlich eh nur als eine Art gutgemeinte (wenn oft auch etwas fragwürdige) Anregung, obwohl es ja Leute geben soll, die solche Listen voller Ernsthaftigkeit geradezu zwanghaft abarbeiten müssen - was ich schon ziemlich gruselig finde…

Aber immerhin mit einem Band habe ich mich dann doch etwas näher beschäftigt, nicht zuletzt, weil mich sehr interessiert hat, wie sich die Auswahl der magischen "1001 Positionen" der diesem Buch zugrunde liegenden Liste zusammensetzt (und wie das Ganze präsentiert wird): Es handelt sich um den 2008 auf deutsch erschienenen, immerhin stolze 960 Seiten starken Band

"1001 Klassik-Alben, die Sie hören sollten, bevor das Leben vorbei ist"
Die englischsprachige Ausgabe dieses Buchs erschien bereits im Jahr 2007; als Herausgeber fungiert Matthew Rye, der einem Team aus 35 Autoren und -rinnen vorsteht, die - welch Überraschung - fast durchgehend in Großbritannien und den USA publizistisch tätig sind.

Dies wirkt sich begreiflicherweise auch auf die getroffene Werkauswahl aus - es ist ein nicht zu übersehender Schwerpunkt auf britische und amerikanische Komponisten gelegt worden (zugegeben für mich als Fan "britischer Klassik" ein Pluspunkt für dieses Buch!), was dazu führt, dass man hier auf vorgestellte Werke von hierzulande oft nahezu unbekannten Komponisten wie z. B. Elliott Carter, William Walton, Frank Bridge, Arnold Bax, William Boyce, George Butterworth, Malcolm Arnold etc. trifft - also Komponisten, die man als deutscher Autor eines solchen Buches möglicherweise zwar kennen, nicht aber unbedingt alle in eine Liste mit den wichtigsten 1001 Klassik-Werken aufnehmen würde… Aber wie gesagt: Genau dieser Schwerpunkt gefällt mir persönlich besonders an diesem Buch!

So fehlen denn auch - aus deutscher Sicht - z. B. Komponisten wie die Bach-Söhne (lediglich Carl Philipp Emanuel ist hier mit einem Werk vertreten) oder Albert Lortzing, aber auch Musiker wie z. B. die Franzosen Auber und Adam.

Nun gut, die Zusammenstellung in diesem Buch ist natürlich eine individuelle, allerdings sollten meiner Meinung nach wichtige Werke wie z. B. Dvoraks Stabat mater und sein Requiem, Mendelssohns Oratorium Paulus oder die Oper Mignon von Ambroise Thomas in einem solchen Buch nicht fehlen - wohlgemerkt immer unter dem Aspekt, dass dafür andere Werke, von denen (bzw. ihren Komponisten) man zumindest als Leser aus dem deutschsprachigen Kulturraum noch nie etwas vernommen hat, sehr wohl hier zu finden sind…!

Aufgeteilt ist der im Übrigen reich mit CD-Covern und Interpretenfotos bebilderte Band in 7 Kapitel, die der ganzen Aufzählung eine chronologische Struktur geben sollen - es geht um die Entstehung bzw. Uraufführung der jeweils vorgestellten Werke:
Vor 1700/ 1700-60/ 1761-1800/ 1801-50/ 1851-1900/ 1901-50/ 1951 - Gegenwart

Ärgerlich finde ich die Titel- und Komponistenverzeichnisse in diesem Buch, auf die man meist angewiesen ist, um ein bestimmtes Werk finden zu können (denn wer weiß schon auf Anhieb, in welchem Jahr die Sinfonie X oder die Oper Y uraufgeführt wurden, um dann direkt das betreffende Jahr aufzuschlagen und somit ohne Umwege fündig zu werden?) - besagte Verzeichnisse sind, gelinde gesagt, schlampig und erschreckend unvollständig zusammengestellt worden!
Ginge man nach dem Titelverzeichnis, müsste man z. B. davon ausgehen, dass weder Mendelssohns Oratorium Elias, noch Schumanns Klavierkonzert, geschweige denn die Wagner-Opern Der fliegende Holländer, Lohengrin oder Tannhäuser, in diesem Buch enthalten sind (und das sind nur ein paar Beispiele, die einem bereits nach kurzer Suche auffallen)!
Natürlich gibt es zu diesen Werken entsprechende Artikel, diese findet man aber nur bei entsprechendem Blättern in den in Frage kommenden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, hier kann man zu einem schnelleren Ergebnis kommen, wenn man vorher in einem separaten Opern- oder Konzertführer nachschlägt, wann die Uraufführungen dieser Werke denn gewesen sind - aber das kann es ja wohl nicht sein, oder...?

Hier würde ich mir wünschen, dass der deutsche Verlag für eine 2. Auflage (wenn es dazu überhaupt kommen sollte - mich würde wirklich interessieren, wieviel Nachfrage gerade dieser Band beim Publikum geweckt hat!) hier noch mal eine gründliche Überarbeitung dieser und anderer Stellen in die Wege leitet - so was ist einfach nur ärgerlich für den Benutzer/ Leser und hätte mit ein wenig mehr Sorgfalt vermieden werden können!

Da dieses Buch ja nicht den Anspruch erhebt, ein Konzert- oder Opernführer zu sein, hätte ich mir gewünscht, dass es auch ein Verzeichnis der erwähnten Künstler, Orchester und Ensembles gegeben hätte - leider auch Fehlanzeige! Leider bestehen aber sämtliche Einzelartikel zu zwei Dritteln aus Werkbeschreibungen in knappster Form (dafür hatte ich mir dieses Buch eigentlich nicht zugelegt - sowas bekommt man in weitaus ausführlicherer Art und Weise in zahlreichen anderen Konzert- und Opernführern!) und nur jeweils am Ende stehen dann ein paar wenige Sätze zur als empfehlenswert erachteten Einspielung des zuvor vorgestellten Werks. Ich hätte mir gewünscht, mehr über die jeweiligen Aufnahmen zu erfahren und dafür gern auf weitere Infos zum Stück selber verzichtet - darum sollte es hier doch eigentlich gehen, oder habe ich das Konzept dieses Buchs falsch verstanden?

Auch über die Auswahl zu manchen hier empfohlenen "Referenzaufnahmen" muss man sich zuweilen wundern, obwohl dies ja nun wirklich Geschmackssache ist - aber da häufig neben der etwas ausführlicher präsentierten Aufnahme eines Werks zumindest noch zwei oder drei Alternativeinspielungen aufgelistet werden, fragt man sich doch, warum hier des Öfteren Aufnahmen, die sonst allerorten als absolute Referenzen genannt und gerühmt werden, nicht einmal erwähnt werden (z. B. bei Verdis Don Carlos die Giulini-Aufnahme von 1971)? Und warum werden bei Berlioz' Harold en Italie gleich drei Alternativ-Einspielungen mit William Primrose als Solisten genannt, die noch dazu alle aus den 1940er/ 50er Jahren stammen - gibt es wirklich keine anderen, vielleicht auch klanglich etwas moderneren und dennoch empfehlenswerten Aufnahmen dieses Werks?

Gut, ich will mich hier nicht in Einzelheiten verlieren - der etwas unglückliche Aufbau dieses Buchs krankt (neben der erwähnten schlampigen lexikalischen Aufbereitung der Suchverzeichnisse) vor allem daran, dass hier das Konzept des bezeichnenderweise bereits in mehreren Neuauflagen erschienenen Bandes "1001 Alben die Sie hören sollten, bevor das Leben vorbei ist" offenbar eins zu eins übernommen wurde: Was für eine pop- und rockmusikalische Plattensammlung perfekt passt (z. B. die chronologische Anordnung nach den Entstehungsjahren oder die zwangsläufige ausschließliche Ausrichtung nach den verschiedenen Bands und Interpreten), muss - wie sich zeigt - ja nicht unbedingt für ein ebenso aufgebautes Buch mit Klassik-Alben funktionieren!

Da hätte man sich meiner Meinung nach vielleicht doch etwas mehr Gedanken über den optimalen Aufbau dieses "Klassik-Ablegers" machen sollen, vielleicht wäre eine chronologische Anordnung nach den Aufnahmejahren auch bei den klassischen Werken eine ganz interessante Zeitreise durch die Geschichte der Tonaufnahme im 20. Jahrhundert geworden? Dies würde allerdings ein einwandfreies Komponisten- / Titelverzeichnis, in dem man dann auch wirklich alle (!) besprochenen Werke finden kann, voraussetzen (denn ohne dieses würde man sich dann wohl wirklich auf der Suche nach einem bestimmten Werk komplett verzetteln)…

Jedenfalls ist das vorliegende Ergebnis mit seinem Charakter als halber Konzert- und Opernführer, in dem empfohlene Einspielungen immer nur am Rande vorkommen, so nicht besonders überzeugend! Lautet der Buchtitel nicht "1001 Klassik-Alben"? Man hat aber eindeutig mehr den Eindruck, dass das Buch eigentlich passender mit "1001 Klassik-Werke" betitelt wäre...

Immerhin eignet sich der Band wunderbar zum stundenlangen Rumblättern, Bildergucken, Schmökern, Sich-Wundern (*zwinker*), etc. - und das ist ja immerhin auch schon etwas!

Wie gesagt: Für mich als Fan speziell britischer Komponisten bietet dieses Buch mit seiner Auswahl eine Reihe erfreulicher Erwähnungen und Entdeckungen, dennoch wage ich zu behaupten, dass der an klassischer Musik eher allgemein interessierte deutschsprachige Leser, der sich dieses Buch zulegt, vielleicht doch besser mit einer Empfehlung für Albert Lortzings Zar und Zimmermann statt eines Sinfonien-Bündels von William Boyce versehen worden wäre…

Aber zu meckern gibt es ja immer was…;-)

Mittwoch, 1. Juni 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Gast-Organist Hyo-Jong Kim spielte heute für uns folgendes Programm:

J. S. Bach:
Triosonate Nr. 3 d-moll BWV 527 (1. und 2. Satz)

J. Brahms:
Aus den Choralvorspielen op. 122
Nr. 4 "Herzlich tut mich erfreuen"

J. S. Bach:
Toccata, Adagio und Fuge C-Dur BWV 564


Ich fand die Registrierung der Orgel im heutigen Konzert irgendwie ungewohnt - alles klang eigenartig distanziert und zurückgenommen (vielleicht habe ich heute auch was auf den Ohren...?), gerade im dreiteiligen BWV 564 hätte ich mir gewünscht, dass die einzelnen Teile sowohl im Tempo aber eben auch in der Registrierung etwas deutlicher voneinander abgesetzt würden. Aber da das Adagio ziemlich zügig angegangen wurde und sich auch vom Klang her nicht großartig von der Toccata und der Fuge unterschied, fehlte irgendwie der Kontrast zu diesen Ecksätzen.

Eine schöne (und für den Hörer sehr hilfreiche) Idee war es, dass unser Organist vor dem Erklingen des Brahms'schen Choralvorspiels zunächst die Choralmelodie einmal "in nackter Reinform" vorspielte, was das Wiedererkennen derselben sowie das Verstehen, was Brahms an zusätzlicher musikalischer "Verpackung" um sie herum gebaut hat, erheblich erleichterte! Gerade bei diesem op. 122 (Brahms' letzter Komposition) fand ich es immer sehr schwer, die eigentlichen Choralmelodien aus den kunstvollen Bearbeitungen überhaupt noch herauszuhören!