Mittwoch, 30. Mai 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Im heutigen Mittagskonzert spielte Wolfgang Abendroth für uns Stücke von vier Komponisten:

J. S. Bach (1685-1750)
Präludium und Fuge G-Dur BWV 541

William Boyce (1711-79)
Voluntary g-moll
Voluntary D-Dur

Remo Giazotto (1910-98)
Adagio g-moll für Streicher und Orgel
über ein Generalbassfragment und zwei Melodieteile von Tommaso Albinoni (1671-1751)
Bearbeitung für Orgel solo vom Komponisten

Sigfrid Karg-Elert (1877-1933)
Choralbearbeitung „Komm, heiliger Geist, Herre Gott“


Besonders gut hat mir heute das berühmte g-moll-Adagio von Remo Giazotto gefallen, das ich bislang nur in der „Original-Version“ für Streicher und Orgel kannte – aber in der heute gespielten Version für Orgel solo gefiel mir das Stück fast noch besser!
Diese Komposition hat eine kuriose Karriere hinter sich:
Von Giazotto einst als Wiederentdeckung eines Werks des berühmten Barock-Italieners Albinoni herausgegeben und daraufhin (trotz der eigentlich unüberhörbar spätromantischen Klänge dieser Komposition) neben Klassikern wie dem „Air“ von Bach oder dem Kanon von Johann Pachelbel zu einem der Klassiker des barocken Konzertrepertoires avanciert, der zum Beispiel auf keiner „Best of Barock“-Kompilation der 1960er bis 1980er Jahre fehlen durfte, stellte es sich später dann jedoch als Fälschung, bzw. Eigenkomposition Giazottos heraus, was den musikalischen Wert ja eigentlich nicht geschmälert hat, das Stück heutzutage jedoch deutlich seltener auf Konzertprogrammen wie CD-Einspielungen erscheinen lässt. Leider!
Auch wenn Giazotto immer wieder behauptet hat, dass die Komposition zumindest auf einigen Fragmenten Albinonis beruhe, die er dann zu einem vollständigen Werk ergänzt habe, konnte meines Wissens bislang nie die historische Textquelle von Albinoni nachgewiesen werden.
Egal, ein schönes, eingängiges und wirkungsvolles Stück Musik bleibt das Adagio in g-moll trotzdem!

Zum Abschluss des heutigen Konzerts gab es dann passend zur Jahreszeit noch eine kurze Choralbearbeitung über ein altes Pfingstlied.

Donnerstag, 24. Mai 2012

Philharmonie-Konzert

Vorgestern (22. Mai) ergab sich für mich wieder einmal recht spontan die günstige Gelegenheit, ein Konzert des Gürzenich-Orchesters in der Kölner Philharmonie zu besuchen. Vor fast ausverkauftem Haus wurde folgendes Programm geboten:

Franz Schubert (1797-1828)
Sinfonie h-moll D 759 „Die Unvollendete“

Julian Anderson (geb. 1967)
„Symphony“

Johannes Brahms (1833-97)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-moll op. 15

Lars Vogt, Klavier
Gürzenich-Orchester Köln
Markus Stenz, Dirigent


Ein attraktives Programm mit gleich zwei absoluten „Konzertklassikern“ – das zog sichtlich viele Interessenten an!

Ich muss allerdings sagen, dass ich mit der Interpretation von Schuberts h-moll-Sinfonie, die ja nach wie vor den nahezu unverwüstlichen, weil so herrlich griffigen Titel „Die Unvollendete“ trägt, nicht so ganz glücklich war.
Das Tempo, das Markus Stenz seinem Orchester gerade im berühmten ersten Satz vorgab, fand ich ein bisschen zu schnell. Irgendwie konnten die gesanglich-romantischen Stellen sich dadurch nicht so richtig entfalten – gerade das ist meiner Meinung nach aber wichtig, um die schroffen Gegensätze zwischen lyrischen und dramatisch-ernsten Passagen, die die gesamte Komposition durchziehen, besonders wirkungsvoll gegeneinander abzusetzen.
So blieb – jedenfalls für mein Empfinden – doch einiges an romantisch-lyrischem Potential auf der Strecke, stattdessen herrschte ein eher „sportlich-schlanker“ Klang vor, den ich teils auch rau oder sogar schroff empfand – und dies wohlgemerkt nicht nur in den düsteren Passagen!
Das Ganze erinnerte mich ein bisschen an die seit einiger Zeit bei der Interpretation von Beethoven-Sinfonien ziemlich verbreitete Herangehensweise (ich polemisiere hier ein bisschen): Zügige Tempi, aufgeraut bis schroff zu nennender Orchesterklang, möglichst stürmisch-rebellischer Gesamteindruck. Ob das, was für Beethoven ja seine Daseinsberechtigung haben mag, auch bei Schubert funktioniert? Ich bin mir da nicht so sicher…
Die Interpretation des zweiten Satzes gefiel mir dann jedenfalls deutlich besser - vielleicht, weil man ihn nicht so unmittelbar im Ohr hat, wie den ungleich bekannteren ersten Satz?
An der spielerischen Leistung des Gürzenich-Orchesters gab es immerhin – wie gewohnt – nichts auszusetzen.

Das gesamte Programm des Abends stand unter dem Motto Drei Anläufe zur Gattung „Sinfonie“ und tatsächlich handelt es sich ja bei der in ihrer Zweisätzigkeit für die Entstehungszeit 1822 recht ungewöhnlich konzipierten „unvollendeten“ Sinfonie um eine Komposition, deren künstlerische Aussagekraft Schubert, nachdem er einige Skizzen für einen möglichen dritten Satz wieder verworfen hatte, offenbar so für ausreichend erachtete. Bei der Uraufführung, die dann auch erst über 40 (!) Jahre später stattfand, schien das Publikum dies auch so zu sehen – die Musikgeschichte hatte sich aber zwischenzeitlich auch schon weiterentwickelt und zu einer Zeit, wo längst Orchesterwerke in völlig freien Formen (meist unter dem Titel „Sinfonische Dichtung“) in den Konzertsälen aufgeführt wurden, war es für das Publikum offensichtlich kein Problem mehr, eine Sinfonie als vollgültig zu akzeptieren, auch wenn sie nur 2 statt der üblichen 4 Sätze aufwies. Der unselige Titel „Unvollendete“ kam dann wohl erst um 1900 auf und ist seitdem untrennbar mit diesem Werk verbunden, wird ihm aber (wie übrigens viele dieser in der Regel meist ohne Wissen oder Zustimmung der Komponisten zustandegekommenen Werktitel) nicht gerecht.

Auch der in Großbritannien seit einigen Jahren recht bekannt gewordene Komponist Julian Anderson hat in den Jahren 2002-2003 ein als „Symphony“ betiteltes, etwa 18-minütiges, einsätziges Orchesterstück geschaffen und sich damit auf seine Weise mit dieser altehrwürdigen Gattung auseinandergesetzt.
Ich finde es immer sehr spannend, wenn man auch einmal persönliche Äußerungen eines Komponisten zu seinen Werken mitbekommen kann (ein Umstand, der ja in klassischen Sinfoniekonzerten aus naheliegenden Gründen eher selten ist) und so war es sehr zu begrüßen, dass Julian Anderson im Rahmen der Konzerteinführung im Foyer der Philharmonie ein paar Erläuterungen zu seiner in deutscher Erstaufführung gespielten „Symphony“ abgab.

Er entschied sich demnach erst recht spät zu dieser Werkbezeichnung, während er für gewöhnlich etwas sprechendere Titel für seine Kompositionen auswählt. Da jedoch die Grundidee dieses Stücks, der etappenweise Übergang von völliger Erstarrung und Ruhe zu immer stärkerer Bewegung und Klangfülle eine recht abstrakte war, entschloss er sich, auch einen abstrakten, eher „technischen“ Begriff für die Komposition zu wählen. Eigenem Bekunden zufolge geht er derzeit nicht davon aus, noch eine weitere Sinfonie zu komponieren. Es handelt sich also innerhalb seines Oeuvres um einmalige Koppelung von Komposition und Titel, der hier also nicht als bloße Gattungsbezeichnung verstanden werden soll, die nach Bedarf dann auch durchnummeriert werden könnte.

Auch wenn sich mir das Werk insgesamt – wohlgemerkt nach lediglich einmaligem Hören – nicht wirklich erschlossen hat (vor allem fand ich es, nachdem ich mich vorab mit dem Konzept der Komposition beschäftigt hatte, in der letztendlichen Umsetzung nicht konsequent bzw. stringent genug, sondern viel zu episodenhaft und uneinheitlich, was den Spannungsbogen angeht), so gab es schon einige wirklich schöne und interessante Momente – was zum Beispiel das Erzeugen ungewöhnlicher Orchesterklangeffekte angeht, so versteht Mr. Anderson sein Handwerk!
Und es ist natürlich immer wieder interessant zu erleben, wie ein groß besetztes Sinfonieorchester (noch dazu ausstaffiert mit jeder Menge verschiedenster Schlaginstrumente) so richtig in voller Aktion Musik macht! Gerade bei Werken wie diesem, wo man als einzelner Musiker mitten im wildesten Getümmel (und gerade zum Schluss hin ging es hoch her!) ja keine wirklichen Orientierungspunkte hat und sich sehr konzentrieren muss, um alle Einsätze pünktlich hinzubekommen, ist das eine wirklich respekteinflößende Leistung – genau wie die des Dirigenten: Auch Markus Stenz bewahrte stets den Überblick und führte sein Orchester mit bewundernswert ruhigen und deutlichen Gesten durch dieses wirklich nicht leicht zu spielende Werk!

Nach der Pause gab es dann mit dem 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms noch einen weiteren Klassiker – hier gefielen mir die Herangehensweise und die Interpretation deutlich besser als beim Schubert!
Auch Brahms hat ja lange künstlerisch mit sich gerungen, bevor er im Jahr 1876 dann tatsächlich seinen sinfonischen Erstling zur Uraufführung bringen konnte (der dann allerdings wie ein Befreiungsschlag auf ihn wirkte, so dass seine 2. Sinfonie bereits ein Jahr später entstand!) – auch sein 1. Klavierkonzert (uraufgeführt 1859) gehört in diesen sinfonischen Entstehungsprozess mit hinein (was man dem Werk wie ich finde auch anhört – zumindest der erste Satz war wohl auch kurzzeitig vom Komponisten als Sinfoniesatz konzipiert worden) und somit passte dieser dritte und letzte Programmpunkt des Abends gut zu dem oben erwähnten thematischen „roten Faden“.

Der sympathische Solist Lars Vogt hatte mit diesem wirklich monströsen Konzert, das mit am Beginn der Epoche der Spätromantik steht (die ja für in jeder Hinsicht groß dimensionierte Werke eine geradezu typische Ära ist), eine auch körperlich ganzen Einsatz erfordernde Mission vor sich, die er souverän bewältigte! Ich versuche mir anstelle unseres kraftvoll agierenden Solisten eine dieser elfengleichen jungen Pianistinnen aus Asien vorzustellen, die ja immer mal wieder für großen Presserummel sorgen – ob so jemand den Vortrag dieses Konzert wohl überleben würde…? *grins*
In einer so mitreißenden Interpretation wie der in diesem Konzert zu hörenden ist das 1. Klavierkonzert von Brahms eine sichere Bank (zumal Lars Vogt es verstand, nicht nur den kraftvollen Abschnitten sondern eben auch den reichlich vorhandenen lyrischen Passagen den richtigen Tonfall zu verleihen – das Konzert besteht ja bei Weitem nicht nur aus virtuosem Tastengedonner!) und so war der Schlussapplaus dann auch entsprechend frenetisch! Ein toller Abschluss eines abwechslungsreichen Konzertabends!

Mittwoch, 23. Mai 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Nachdem ich in der vergangenen Woche urlaubsbedingt die Lunch-Time-Orgel leider ausfallen lassen musste (man kann halt nicht immer überall vor Ort sein), habe ich mich sehr gefreut, dass es im heutigen Mittagskonzert ein besonders schönes Programm gab!
Wolfgang Abendroth spielte für uns unter anderem Orgelmusik zweier Komponisten, von denen ich zuvor noch nie etwas gehört hatte - schon allein die Tatsache, dass sie aus Spanien und Italien stammen, fand ich besonders interessant, sind beides doch Länder, die man nicht unbedingt sofort mit Orgelmusik in Verbindung bringt!

Das heutige Programm sah so aus:

Antonio de Cabezón (1510-66)
Tiento del primer tono
Diferencias sobre la Pavana italiana

J. S. Bach (1685-1750)
Sicilienne (aus der Sonate für Flöte und Cembalo BWV 1031)
Orgelbearbeitung von Louis Vierne (1870-1937)

W. A. Mozart (1756-91)
Andante F-Dur KV 315 für Flöte und Orchester
Orgelbearbeitung von Daniel Taupin

Filippo Capocci (1840-1911)
Fantasie über den Choral „Veni creator spiritus“


Orgelmusik aus der Zeit der Renaissance bekommt man selten zu hören – diese doch recht fremdartigen Klänge, oft mit reich verzierten Stimmen und zum Teil irgendwie auch noch recht mittelalterlich anmutend, haben aber durchaus ihren Reiz; so auch die heute zu Gehör gebrachten Stücke des Spaniers Cabezón.

Die beiden ursprünglich für Flöte (und begleitenden Instrumenten) komponierten, sehr bekannten Werke von Bach und Mozart erklangen in gelungenen Bearbeitungen, wobei unser Organist im Mozart-Stück passenderweise für die Melodiestimme eine Registrierung herausgesucht hatte, die einer Querflöte wirklich sehr ähnlich klang!

Zum krönenden Abschluss gab es dann noch die Fantasie (passenderweise über einen gregorianischen Pfingstchoral) des selten gespielten Italieners Capocci, der sich hörbar an den großen französischen Orgelkomponisten seiner Zeit orientiert hat – ein tolles Stück, das die große Orgel durch zahllose spätromantisch-üppige Klangwolken richtig gut zur Geltung kommen lässt!

Dienstag, 22. Mai 2012

Dietrich Fischer-Dieskau verstorben

Am vergangenen Freitag (18. Mai) ist mit dem Bariton Dietrich Fischer-Dieskau einer meiner absoluten Lieblingssänger im Alter von fast 87 Jahren verstorben.
Er konnte auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurückblicken, während der er nicht nur als Sänger sondern unter anderem auch als Schriftsteller, Dozent und Rezitator (dies vor allem nach Beendigung seiner aktiven Sängerlaufbahn Ende 1992) tätig war.
Seine große sängerische Bandbreite, die sich sowohl auf den Bereich der Oper wie auch auf das Gebiet der geistlichen Musik (vor allem der von Johann Sebastian Bach) und natürlich des Liedgesangs erstreckte, ist in unzähligen Aufnahmen, die während der Jahrzehnte seines Wirkens entstanden sind, bestens dokumentiert und somit wird sein großartiges Schaffen der Nachwelt erhalten bleiben!

Mir haben immer seine deutliche, plastische Aussprache und die damit verbundene stimmliche Präsenz besonders gut gefallen – diese (bei Sängern ja nicht immer selbstverständliche) Textverständlichkeit, gepaart mit einem großen gestalterischen Talent, sind auch die besonderen Markenzeichen von „FiDi“ gewesen!

Meine Lieblingsaufnahmen von und mit ihm (live konnte ich ihn leider nicht mehr auf einer Bühne oder einem Konzertpodium erleben) sind vor allem die Einspielungen der Mozart-Opern, die Karl Böhm in den 1960er und 1970er Jahren für die Deutsche Grammophon vorgenommen hat: Papageno, Graf Almaviva und der Don Giovanni.
Dazu dann natürlich die zahlreichen Liedaufnahmen, vor allem von Schubert, Schumann und Wolf.
Und die zahlreichen Früchte seiner Zusammenarbeit mit dem von mir auch hoch geschätzten Karl Richter, so z. B. die Titelrolle in Händels Giulio Cesare in Egitto
und die Mitwirkung in vielen von Richter eingespielten Bach-Kantaten, vor allem die Solo-Kantate BWV 82 „Ich habe genug“!
Und – sicher einer der Meilensteine der Karriere dieses großen Sängers – seine Mitwirkung bei der Uraufführung des War Requiem von Benjamin Britten im Jahr 1962.

Freitag, 11. Mai 2012

Neuerwerbung

Christoph Willibald Gluck (1714-87) ist für Opernliebhaber nach wie vor ein interessantes Phänomen: Seine Bemühungen um eine Reform der althergebrachten Opera seria, die er durch Straffung, Vereinfachung und das Einbeziehen von Elementen der französischen Oper (Chöre, Ballett) quasi „fit für die Zukunft“ machen wollte, gehören zu einer der bemerkenswertesten Leistungen auf dem Gebiet des Musiktheaters.

Epochemachend war hier ja auch gleich der erste seiner Versuche (nachdem er jahrelang in „herkömmlicher Manier“ durchaus erfolgreiche Opern komponiert hatte), die auch heute noch bekannte und beliebte Oper Orfeo ed Euridice, die im Oktober 1762 in Wien uraufgeführt wurde.
Weitere Opern, die in dieser „reformierten“ Machart komponiert waren, sollten in den kommenden Jahren noch folgen (z. B. die Alceste im Jahr 1767).

Gluck war als routinierter Theaterpraktiker natürlich realistisch genug, um zu sehen, dass er diese Opern im neuen Stil nicht überall würde anbieten können. In Wien fand er hierfür ein durchaus aufgeschlossenes Publikum und (ganz wichtig) auch engagierte Mitwirkende vor und hinter der Bühne, die bereit waren, sich auf solche Projekte einzulassen.
Da er sich zu Beginn der 1760er Jahre nicht nur in Wien sondern auch in Italien (wo er im Lauf der Jahre zahlreiche Opern an verschiedenen Orten auf die Bühnen gebracht hatte) ein gewisses Renommee erworben hatte, erhielt er nun in jenem Orfeo-Jahr 1762 aus Bologna den ehrenvollen Auftrag, eine Festoper für die Eröffnung des neuen Teatro Comunale zu komponieren.
Und so ging dort am 14. Mai 1763 die Oper Il trionfo di Clelia (Glucks erste Oper nach seinem berühmten Orfeo!) erstmals über die Bühne des neuen Theaters.
Das Textbuch stammte vom damals bereits legendären Operntextdichter Pietro Metastasio (1698-1782), dessen Libretti so ca. ab 1730 europaweit (mit der Ausnahme Frankreich) quasi als „Pflichtgrundlage“ für jede große Opernkomposition herzuhalten hatten und somit allesamt unzählige Male vertont wurden.
Fast genau ein Jahr vor der erwähnten Bologneser Premiere dieser Oper war Il trionfo di Clelia in Wien erstmals mit großem Erfolg gegeben worden. Die prestigeträchtige Ehre dieser Erstvertonung hatte ein anderer „Superstar“ unter den Opernkomponisten der damaligen Zeit: Johann Adolf Hasse (1699-1783).
Und wie es damals üblich war, so entschied man sich in Bologna nicht etwa für die Übernahme dieser erfolgreichen Oper zur Einweihung des Teatro Comunale, nein, man bestellte bei Gluck direkt eine komplette Neuvertonung dieses neusten Librettos des großen Dichters! Das war damals absolut normal, hing doch ein Großteil einer Opernkomposition von den hierfür eigens vorgesehenen Sängerinnen und Sängern ab. Und da man diesen Herrschaften ihre zahlreichen Arien quasi ganz persönlich in die „geläufigen Gurgeln“ schrieb, um die individuellen Fähigkeiten und Stärken besonders hervorzuheben, konnte eine Opernkomposition naturgemäß nie eins zu eins von einem Ort zum anderen übernommen werden – es sei denn, das komplette Ensemble wäre mitgereist…

Für Musikkenner ist es natürlich ausgesprochen interessant nachzuvollziehen, wie sich Glucks Komposition nun von der des unmittelbar vorangegangenen Orfeo unterscheidet. Wie eigentlich zu erwarten, hält sich Gluck für eine Auftragsarbeit wie diese dann auch wieder weitgehend an die hergebrachten Konventionen – sicher wären seine Auftraggeber nicht damit einverstanden gewesen, statt der erwarteten Festoper ein „Opern-Experiment“, wie es der Orfeo ja gewesen war, zur Einweihung ihres Theaters geliefert zu bekommen.
Allein schon das in herkömmlich-bewährter Manier verfasste und konzipierte Libretto verhinderte ja bereits eine allzusehr von der üblichen Machart abweichende Opernkomposition. So gibt es auch in Il trionfo di Clelia die übliche, raffiniert in Gang gesetzte Intrigenhandlung, Einsatzmöglichkeiten für Chor oder Ballett hingegen fehlen.

Dennoch gelingt es Gluck, nicht zuletzt durch eine ambitionierte Orchesterpartitur (die offenbar weitaus anspruchsvoller war als das, was damals üblicherweise von einem Opernorchester verlangt wurde), einige betont schlicht gehaltene Melodien, den gelegentlichen Verzicht auf die eigentlich übliche, strenge „Dacapo-Form“ der Arien und auch den verstärkten – aber natürlich nicht ausschließlichen - Einsatz orchesterbegleiteter Rezitative (im Gegensatz zu den sonst üblichen, bloß von einem Cembalo begleiteten Rezitativen), den Eindruck zu erwecken, dass hier nicht bloße, austauschbare Opern-Massenware in Musik gesetzt wurde, sondern ein dramatisch ambitioniertes Werk, dass – dem festlichen Entstehungsanlass entsprechend - durchaus den Reiz des Besonderen hat!

Ganz frisch erschienen beim Label DG – Dabringhausen und Grimm ist nun eine im Juli 2011 entstandene Aufnahme dieser Oper – es handelt sich hierbei (und das ist auch nicht unbedingt etwas Alltägliches im Klassikbereich) um eine griechische Produktion.
Von dem auf historischen Instrumenten spielenden Ensemble Armonia Atenea hatte ich bislang noch nichts vernommen – mich überzeugten aber sowohl Klang wie auch Interpretation auf Anhieb. Die Leitung des Ganzen hatte der passenderweise in Bologna tätige und mit einem wunderbar opernhaften Namen ausgestattete Italiener Giuseppe Sigismondi de Risio.
Einzig die Tatsache, dass man sich dafür entschied, die Secco-Rezitative nicht (wie damals mit Sicherheit noch üblich!) vom Cembalo, sondern von einem Hammerklavier begleiten zu lassen (während in den Arien unüberhörbar ein Cembalo mitspielt!), stößt mir etwas negativ auf, weil ich diesen „Trend“ einfach nicht nachvollziehen kann. Über diese „Unsitte“, seit einigen Jahren fast ausschließlich nur noch die meiner Meinung nach aufgrund ihrer relativ begrenzten Klangwirkung nicht wirklich geeigneten Hammerklaviere zur Begleitung der Secco-Rezitative anstelle des Cembalos zu verwenden, habe ich mich ja in anderen Beiträgen schon mehrfach ausgelassen


Außerdem hätte ich mich gefreut, das im Booklet der CD-Box vollständig, aber eben nur in der italienischen Originalsprache abgedruckte Libretto zumindest (wenn schon nicht in der deutschen) noch in einer englischen Übersetzung vorfinden zu können. Das gibt es aber leider nicht – schade!
Von diesen kleinen Schönheitsfehlern abgesehen, hat mir das Anhören dieser verdienstvollen Operneinspielung wirklich viel Freude bereitet. Gerade auch die zumindest hier bei uns noch relativ unbekannten Solisten überzeugen mit frischen Stimmen und hörbarer Sangesfreude! Besonders gut gefallen haben mir die Sopranistin Hélène Le Corre in der Titelrolle der Clelia, der junge rumänische Countertenor Florin Cezar Ouatu und Vassilis Kavayas mit seinem schlanken, sehr beweglichen und wirklich schön anzuhörenden Tenor!

Eine echte Entdeckung, die wieder mal beweist, dass es bei Gluck auch außerhalb des (ja nun auch nicht gerade allzu üppig beackerten) Bereichs seiner italienischen und französischen „Reformopern“ noch viel Interessantes und Schönes zu hören gibt!

Mittwoch, 9. Mai 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Unser Gastorganist war heute Jens-Peter Enk und er spielte im heutigen Konzert ein Programm mit einer Mischung aus Kompositionen des 18. Jahrhunderts sowie einem Abschlussstück neueren Datums für uns:

Georg Friedrich Händel (1685-1759)
Orgelkonzert op. 4 Nr. 6 B-Dur

J. S. Bach (1685-1750)
Präludium und Fuge C-Dur BWV 547

Carl Ph. E. Bach (1714-88)
III. Sonate Wq 70,3

Johannes Matthias Michel (geb. 1962)
Aus der „Suite Jazzique“:
Menuett jazzique, Cantilene nuptiale, Toccata jazzica


Obwohl Händel von seinen (englischen) Zeitgenossen als großer Organist bewundert und gefeiert wurde, ist er als Komponist in Orgelkonzerten leider selten anzutreffen, da er wohl hauptsächlich an der Orgel improvisiert hat und so leider keine Stücke für Orgel solo von ihm überliefert wurden.
Allerdings hat er eine Reihe von Konzerten für Orgel und Orchester komponiert, die er wohl hauptsächlich als „Zwischenaktsmusiken“ zwischen den einzelnen Teilen seiner großen Oratorien aufzuführen pflegte. Das heute gespielte dreisätzige Konzert dürfte vielen Zuhörern auch in der Version für Harfe (statt der Orgel) und Orchester geläufig sein. Unser Organist trennte durch entsprechende Registrierung sehr schön die von ihm ebenfalls gespielten Orchesterritornelle von den eigentlich der Orgel zugedachten Solopassagen. Allerdings hätte er sich gerade im bekannten ersten Satz ruhig ein klein wenig mehr Zeit lassen können: Hier wirkte das Ganze über weite Strecken dann doch ein bisschen zu flink, so dass einige der virtuos dahinfließenden Passagen ein wenig gehetzt wirkten und hierbei viele Details im Rausch der Geschwindigkeit schlicht untergingen. Die Tempobezeichnung für diesen ersten Satz lautet immerhin „nur“ Andante allegro und nicht Presto

Nach dem beliebten und bekannten Klassiker, dem Präludium und Fuge C-Dur BWV 547 von Bach-Vater und der schon im frühklassischen, „empfindsamen“ Stil verfassten kleinen dreisätzigen Sonate seines Sohnes Carl Philipp Emanuel stellten sich die abschließenden 3 Stücke aus der “Suite Jazzique“ als origineller Abschluss des heutigen Konzerts heraus – ein Spiel mit althergebrachten Formen wie einem Menuett oder einer Toccata, die wie selbstverständlich mit typischen „jazzigen“ Rhythmen und Harmonien angereichert wurden! Die virtuose Toccata erinnerte mich beispielsweise streckenweise an einen Boogie-Woogie – eine fantasievolle Komposition eines mir bis dato völlig unbekannten Komponisten, die allen Zuhörern sehr gut gefallen hat!

Mittwoch, 2. Mai 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Frühlingshaft hatte Wolfgang Abendroth sein heutiges Programm angereichert - die Ironie des Wetters wollte es aber, dass er nicht mit dem Sonnenschein draußen um die Wette, sondern gegen Regenschauer und Donnergrollen anspielen musste:

Dietrich Buxtehude (1637-1707)
Te Deum laudamus

Edwin H. Lemare (1865-1934)
Spring Song

Louis Vierne (1870-1937)
Allegretto h-moll
Hymne au soleil ("Hymne an de Sonne")


Besonders das mehrteilige, ausgedehnte und sehr festliche Te deum von Buxtehude gefiel mir im heutigen Konzert! Der Lübecker Orgelmeister hat hier ein auf den gregorianischen Choralmelodien des lateinischen Hymnus basierendes reines "Orgel-Te Deum" komponiert!

Während der Spring Song von Lemare eher idyllisch daherkam (sogar mit von der Orgel imitiertem Vogelgezwitscher!), gestaltete sich die Sonnenhymne erwartungsgemäß deutlich klanggewaltiger und pompöser! Leider hat es wettertechnisch gesehen nichts gebracht :-)