Dienstag, 8. Januar 2013

Arcangelo Corelli - 300. Todestag

Kaum ist das neue Jahr eine Woche alt, da steht auch schon der erste Komponistengedenktag auf der Agenda:

Heute vor genau 300 Jahren verstarb Arcangelo Corelli in Rom im Alter von fast 60 Jahren (geboren wurde er am 17. Februar 1653) – und was man (leider) nicht von jedem seiner Kollegen behaupten kann, trifft auf ihn zu:

Er starb als einer der berühmtesten, einflussreichsten (und wohlhabendsten) Komponisten und Violinisten seiner Zeit. Sein Ruhm strahlte bereits zu seinen Lebzeiten von Italien aus über ganz Europa, was nicht zuletzt daran lag, dass seine Kompositionen meines Wissens fast vollständig im Druck erschienen und somit eine weite Verbreitung dieser Werke gewährleistet war. Eine Tatsache, die für einen Komponisten zu Beginn des 18. Jahrhunderts keineswegs selbstverständlich war – wenn man allein mal vergleicht, wie wenig Werke zum Beispiel von Bach zu dessen Lebzeiten gedruckt wurden!

Aber dies ist nicht die einzige ungewöhnliche Tatsache, die man mit Arcangelo Corelli (übrigens ein sehr klangvoller Vorname, wie ich finde – der „Erzengel“!) in Verbindung bringen kann:

Gerade für einen italienischen Komponisten seiner Zeit ist es absolut ungewöhnlich, dass er ausschließlich Instrumentalwerke verfasste – hier vor allem Kammermusik in der für seine Zeit üblichen Besetzung als Triosonate oder als Violinsonate (für Violine und Continuo) – keine Opern, keine geistliche Vokalmusik!

Er muss ein exzellenter Geigenspieler gewesen sein und naturgemäß ist die Violine in seinen Kompositionen auch das wichtigste Instrument.

Ungewöhnlich für einen Komponisten des Barock ist auch, dass er – trotz seiner für die damalige Zeit verhältnismäßig langen Lebensspanne – ein recht schmales Gesamtwerk hinterließ. Es gibt mittlerweile CD-Boxen mit sämtlichen seiner Kompositionen (wobei ich nicht sicher bin, ob da nicht dann doch immer noch jeweils ein paar Werke in diesen Zusammenstellungen fehlen…), die in der Regel so um die 10 CDs füllen. Wenn man da den teilweise schwindelerregenden kompositorischen „Output“ mancher seiner Zeitgenossen anschaut, bleibt im Falle von Corellinur die Vermutung, dass er wohl in seiner täglichen Musizierpraxis viel improvisierte (was in der Zeit wohl auch üblich war) und längst nicht alles aufschrieb, was ihm so in den Sinn kam.

Ganz im Gegenteil: Da der Notendruck vor 300 Jahren noch eine extrem kostspielige, weil aufwendige Arbeit war, kann ich mir gut vorstellen, dass Signor Corelli sich im Vorfeld sehr sorgfältig mit diesen Kompositionen auseinandersetzte und hier vermutlich lange herumprobierte, um das optimale Ergebnis dann schriftlich zu fixieren und in den Druck zu geben.

Auch dies eine für die damalige Zeit im Bereich des „Musikerhandwerks“ (denn als ein solches wurde Musizieren zu der Zeit in der Regel noch betrachtet!) eine nicht unbedingt alltägliche Einstellung – wurde Musik doch meist als „Gebrauchsware“ immer wieder neu und damit en masse für aktuelle Anlässe und den täglichen Bedarf verfertigt!
Genau diese Tatsache, dass Corellis Kompositionen eben eine besondere Qualität besaßen und in gedruckter Form eine weite Verbreitung fanden (und aufgrund ihrer meist kammermusikalischen Besetzung auch fast überall und in kleinem Kreise aufgeführt werden konnten), erklärt dann auch seine zunehmende Berühmtheit und seinen großen Einfluss, den er auf die noch junge Gattung der eigenständigen Instrumentalmusik hatte.

In den Jahrhunderten zuvor war zunächst die Gesangsstimme fast ausschließlich das einzige „Instrument“, für das „seriöse“ Komponisten überhaupt Werke schriftlich notierten und somit der Nachwelt ein „Nachspielen“ erst ermöglichten. Instrumentalmusik diente entweder als Begleitung der Gesangsstimmen oder hatte als Tanzmusik rein unterhaltenden Charakter und beschränkte sich auf bloßes Nachspielen und Variieren bekannter Weisen, bzw. auf freie Improvisationen (was aber auch damals schon ein gewisses Talent voraussetzte…). „Niedere“ Gebrauchs- und Unterhaltungsmusik wie diese hielt offenbar lange niemand für besonders wichtig, weshalb solche Musik in Regel nicht oder allenfalls in rudimentärer Form (quasi als Gedächtnisstütze für die ausführenden Musiker) aufgeschrieben wurde, während die immer komplexer (und umfangreicher) werdenden Gesangskompositionen gerade der Renaissance (Motetten, Madrigale, Messvertonungen, etc.) wohl nur die wenigsten auswendig hätten darbieten können…
Vor allem mit der Orgelmusik und der zunehmenden Beliebtheit kunstvoller Lautenmusik etablierte sich dann so ca. im 15. und 16. Jahrhundert erstmals eine eigenständige Form der Instrumentalmusik.
Im 17. Jahrhundert wurde die Instrumentalmusik dann immer vielfältiger – die ersten Ensembles und Orchester in ganz unterschiedlichen, noch keinesfalls festgelegten Besetzungen (das hing wohl eher von den jeweils vor Ort vorhandenen Musikern und Instrumenten ab) dürften zu der Zeit entstanden sein – auch hier gingen viele Impulse von Italien, vor allem von Venedig - aus, aber auch in Frankreich am prachtvollen Hofe Ludwigs XIV. spielte Orchestermusik (nicht zuletzt zur Begleitung der von seiner Majestät so geschätzten Ballette!) nun eine wichtige, repräsentative Rolle.

Corelli, der fast sein ganzes Leben lang im Dienste einflussreicher und kunstsinniger römischer Kardinäle stand, prägte im späten 17. Jahrhundert die Kammer- wie die Orchestermusik entscheidend mit und hob sie durch seine Kompositionen auf eine ganz neue Qualitätsstufe.
Nachfolgenden Komponisten in ganz Europa, wie Vivaldi, Bach, Telemann oder Händel (um nur einige wenige zu nennen) dienten seine Werke als Inspirationsquelle für eigene Instrumentalwerke und Corellis Kompositionen waren noch für Jahrzehnte nach seinem Tod die am meisten nachgedruckten Werke überhaupt!

Heute am beliebtesten und bekanntesten dürften die 12 Concerti grossi op. 6 sein, die allerdings erst ein Jahr nach Corellis Tod, also 1714, im Druck erschienen – verlegt vom berühmten Amsterdamer Drucker Estienne Roger (der später unter anderem auch Konzerte von Antonio Vivaldi verlegen sollte).

Diese Kompositionen sind für ein mit Streichern besetztes Orchester gedacht, wobei sich hier einzelne Instrumente (das Concertino) mit dem restlichen Ensemble (dem Ripieno) einen musikalischen Dialog liefern, was für die Gattung des im frühen 18. Jahrhunderts sehr populären Concerto grosso typisch ist und welches quasi den Vorläufer für das Solokonzert darstellt.

Da auch Corelli nicht allzu viele Concerti grossi komponiert hat, stellt die Sammlung der 12 Konzerte seines Opus 6 auch in seinem Oeuvre etwas Besonderes dar.
Am bekanntesten dürfte das g-moll-Konzert Nr. 8 sein, das aufgrund seines abschließenden Satzes, einer als "Pastorale" betitelten Hirtenmusik auch den Titel Weihnachtskonzert bekam und heute in keiner weihnachtlichen Klassiksammlung fehlen dürfte!

Aber nicht nur das Konzert Nr. 8 sondern auch seine übrigen 11 Geschwister sind sehr schön anzuhören – und mit Abstand am häufigsten von allen Werken Corellis eingespielt worden.
Meine liebste Aufnahme der Concerti grossi op. 6 ist die vom Ensemble 415 unter der Leitung von Chiara Banchini und Jesper Christensen im Jahr 1991 eingespielte - ganz exzellent, ausgesprochen klangschön und sehr abwechslungsreich!

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