Mittwoch, 20. März 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

In der Düsseldorfer Innenstadt wird im Moment eine knapp 50 Jahre alte Hochstraße abgerissen (im Volksmund wegen der vielen Stützpfeiler „Tausendfüßler“ genannt). Die Straße führt genau an der Johanneskirche vorbei und da in dieser Woche die Abrissarbeiten – so scheint es – ihren Höhepunkt erreicht haben, herrschte draußen vor der Kirche durch die zahlreichen, sich unablässig voran arbeitenden Presslufthämmer und Abrissbagger ein Höllenlärm, der auch durch die dicken Kirchenmauern nicht wirklich abgehalten werden konnte…

In der Hoffnung, dass das Schlimmste bald überstanden sein wird und voll grimmiger Entschlossenheit, sich von der Megabaustelle draußen nicht unterkriegen zu lassen, präsentierte unser Organist Wolfgang Abendroth heute das folgende Programm:

J. S. Bach (1685-1750)
Air D-Dur

Dietrich Buxtehude (1637-1707)
Passacaglia d-moll

Wolfgang Abendroth (geb. 1978)
Improvisation über das Lied
Es mag sein, dass alles fällt,
Dass die Burgen dieser Welt
Um dich her in Trümmer brechen.
Halte du den Glauben fest,
Dass dich Gott nicht fallen lässt:
Er hält sein Versprechen.

(Text: Alexander Schröder 1939,
Melodie: Paul Geilsdorf 1940)

Edward Elgar (1857-1934)
"Pomp and Circumstances" March No. 1
bearbeitet für Orgel von Edwin H. Lemare (1865-1934)


Der erste Teil des Konzerts sollte, so erklärte uns Herr Abendroth im Rahmen seiner kurzen Programmerläuterung zu Beginn, in bewusstem Kontrast zum draußen herrschenden Lärm stehen – und so entfaltete die für die Orgel bearbeitete weltberühmte und so wunderbar entspannte Air aus Bachs 3. Orchestersuite eine ganz besondere Wirkung: Man war als Zuhörer tatsächlich versucht, das Dauergerumpel der Baustelle für ein paar Minuten einmal komplett auszublenden!

Die vielgestaltige, auch eher ruhig und gelassen voranschreitende Passacaglia von Buxtehude ergänzte diesen mutigen Versuch, mit Ruhe gegen das fast pausenlose Getöse anzuspielen sehr eindrücklich!

Heute gab es mal wieder eine Improvisation unseres Organisten über ein Kirchenlied, das vom Text her zum einen gut in die Passionszeit passt, zum anderen (versehen mit einer Portion Ironie) aber irgendwie auch zum Geschehen zu den benachbarten Abbrucharbeiten…
Jedenfalls brachte Herr Abendroth im ersten Teil die berstenden und fallenden Trümmerteile des Liedtextes recht plastisch rüber, bevor er im zweiten Teil seiner Improvisation dann die Hoffnung auf Gottes Hilfe mit zuversichtlichen und optimistischen Klängen ausmalte – ein wirkungsvoller Gegensatz zum Beginn dieser Improvisation.

Und dann gab es zum Abschluss des Konzerts ein Stück, dass Herr Abendroth unter das trotzige Motto „Ich kann lauter als die da draußen!“ gestellt hatte:
Der berühmte "Pomp and Circumstances"-Marsch Nr. 1 (dank des eingängigen 2. Themas ist dieses Werk neben God save the Queen zur inoffiziellen zweiten Nationalhymne der Engländer geworden!) von Edward Elgar, dessen Orgelsonate wir ja erst in der letzten Woche zu hören bekommen hatten!
Die Wahl dieses berühmten Marsches erwies sich als exzellente Idee – zumal die Bearbeitung dieses Orchesterwerkes durch den berühmten englischen Organisten Edwin Lemare wirklich keine Wünsche offen ließ:
Da konnte die große Orgel wirklich alles geben, was in ihr steckt und wenn am Ende das berühmte Thema erneut triumphal in großer Klangpracht daherkommt, fühlte man sich tatsächlich wie in Westminster Abbey und erwartete förmlich, dass die Queen jeden Moment in vollem Krönungsornat durch den Mittelgang zum Altar schreitet…

Es war großartig – daher das Fazit: Experiment „Orgel gegen Presslufthammer“ in vollem Umfang geglückt!

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