Freitag, 25. Oktober 2013

Georges Bizet - 175. Geburtstag

Heute vor genau 175 Jahren - also am 25. Oktober 1838 - wurde Georges Bizet in Paris geboren. Ein Komponist, dessen Musik mir sehr am Herzen liegt und der – wie so viele seiner Kollegen – bis heute meist nur mit einem einzigen seiner zahlreichen Werke in Verbindung gebracht wird:
Die am 3. März 1875 uraufgeführte Oper Carmen - zugegebenermaßen auch eine meiner absoluten Lieblingsopern, aber bei Bizet gibt es noch so viel mehr absolut Hörenswertes zu entdecken, dass ich es fast ein bisschen schade finde, dass der Welterfolg dieser Oper alles andere, was Bizet in seinem – fast muss man sagen für einen Komponisten wieder einmal typisch kurzen – Leben noch so alles komponiert hat, weit, weit in den Schatten stellt!

Tragischerweise hatte Bizet noch nicht einmal etwas vom außerordentlichen Erfolg seiner Carmen - die Reaktion des Publikums der Uraufführung an der Pariser Opéra-Comique ließ nicht darauf schließen, dass diese Oper einmal eine der bekanntesten und beliebtesten Opern der Welt werden würde und der Komponist starb bereits am 3. Juni 1875 in Bougival (bei Paris) im Alter von nur 36 Jahren (damit wurde er nur ein gutes Jahr älter als Mozart!) viel zu früh an den Folgen eines chronischen Herzleidens – im Oktober 1875 begann dann in Wien der internationale Siegeszug dieses Meisterwerks und als Carmen 1883 triumphal nach Paris zurückkehrte, war ihr Schöpfer bereits fast 8 Jahre tot! Was für eine Tragödie – gerade ihm hätte ich es gegönnt, dass er noch etwas vom Erfolg seiner Oper mitbekommen hätte!

Über Carmen schreibe ich dann aber ein anderes Mal (Beiträge zu einigen meiner Lieblingsopern stehen schließlich immer noch aus…), hier und heute soll es zunächst einmal um ihren ansonsten recht unbekannt gebliebenen Komponisten gehen.

Zuerst ein paar Daten aus seiner viel zu kurzen Vita:
Geboren als Alexandre-César-Léopold Bizet (lt. Standesamtseintrag), wird er 1840 – erstaunlich spät für die damalige Zeit - aber auf den Namen Georges getauft.
Bizet war ein klassisches Wunderkind: Extrem musikalisch begabt und auffassungsfähig. Sein Instrument war das Klavier. Er wurde früh gefördert (sein Vater war Gesangslehrer, seine Mutter Pianistin) und durfte bereits mit 10 Jahren (!) ab 1848 das Pariser Konservatorium besuchen, um dort Klavier, Orgel und Komposition zu studieren.
Seine Lehrer dort waren Berühmtheiten wie z. B. die Komponisten Jacques Fromental Halévy (1799-1862) und Antoine Francois Marmontel. Mit Charles Gounod (1819-93), der auch zu seinen Lehrern gehörte, verband ihn eine intensive und langjährige Freundschaft.

Im Jahr 1857 gewann er den begehrten Prix de Rome und durfte mit diesem Stipendium für ein Jahr nach Rom gehen, dort in der Villa Medici wohnen und seine Studien vor Ort fortsetzen. Er blieb auf eigene Faust noch ein Jahr länger in Rom und bereiste unter anderem auch Norditalien mit seinem besten Freund Ernest Guiraud (1837-1892), der auch Komponist war.

Nach seiner Rückkehr nach Frankreich 1860 bleibt er für den Rest seines Lebens in Paris als Komponist tätig. Er führt dort ein sehr wechselvolles Leben, das von Erfolgen, aber auch von etlichen, herben Misserfolgen geprägt ist.
Er heiratet 1869 Geneviève Halévy, die Tochter seines einstigen Kompositionslehrers. 1871 wird der gemeinsame Sohn Jacques geboren.

Bizet hat in seinem kurzen Leben mehrere Opern, Klavierwerke, Orchestermusik und Vokalwerke geschaffen - einige davon sind auch mehr oder weniger bekannt geworden, bzw. geblieben. Viele davon jedoch fristen zu Unrecht ein Schattendasein.

Drei seiner frühesten Werke möchte ich daher hier heute einmal etwas ausführlicher vorstellen:
Bizet war im Jahre 1855 gerade mal 17 Jahre alt, als er 2 Werke komponierte, die bereits seine früh entwickelte Meisterschaft in der Instrumentierung und der Erfindung eingängiger Themen und Melodien zeigen.
Zum einen handelt es sich um seine Sinfonie in C-Dur (die manchmal auch die Nummer 1 trägt, um sie von seiner ebenfalls in C-Dur stehenden weiteren Sinfonie Bizets, die allerdings noch den zusätzlichen Titel "Roma" trägt, abzugrenzen).
Der 17-jährige Bizet befand sich zum Zeitpunkt dieser Komposition bereits seit einigen Jahren in der Ausbildung am Pariser Conservatoire und hatte bereits erste kleinere Kompositionen für Klavier und auch für Gesangsstimmen verfasst - meist natürlich zu Übungszwecken. 1854 werden immerhin seine ersten Klavierwerke (darunter ein Grande Valse de concert in Es-Dur als Opus 1) gedruckt.
Außerdem hatte er 1854 einen Klavierauszug von Charles Gounods Oper La Nonne sanglante verfasst - eine gewisse Affinität zur Oper ließ sich nicht leugnen. Diesem Klavierauszug folgte noch ein Klavierarrangement (zu vier Händen) von Gounods 1. Sinfonie D-Dur - dies gab wohl den entscheidenden Anstoß für Bizet, sich auch einmal selber an der Gattung der Sinfonie zu versuchen und er komponierte in aller Stille und nur für sich (evtl. war es aber auch eine genial gelöste Übungsaufgabe, die ihm einer seiner Lehrer stellte?) das erwähnte Stück in C-Dur!

Diese Sinfonie ist wirklich ein echtes Meisterwerk! Wenn man bedenkt, wie wenig praktische Erfahrung Bizet hatte, muss man den Hut ziehen vor dieser Leistung, die sich nahtlos in eine Reihe beispielsweise mit Felix Mendelssohns Ouvertüre zum "Sommernachtstraum" einreihen lässt (Mendelssohn war ebenfalls 17 Jahre alt, als er diese Ouvertüre komponierte, hatte zu diesem Zeitpunkt aber schon etliche Streichersymphonien und weitere ausgesprochen gelungene Werke verfasst) und die – obwohl vom Charakter her ganz anders geartet - auch den Vergleich mit der berühmten "kleinen" g-moll-Sinfonie des 17-jährigen Mozart nicht zu scheuen braucht!

Das gut halbstündige 4-sätzige Werk ist sowieso deutlich an der Wiener Klassik, wie auch an Mendelssohn, Schubert und Rossini orientiert - angefangen bei der "klassischen" Orchesterbesetzung, bis hin zur Verwendung der Sonatensatzform in den Ecksätzen.
Auch der Tonfall des ganzen Werks erinnert an die erwähnten Vorbilder, dennoch findet Bizet schon hier seine ganz eigene musikalische Handschrift, wie z. B. im 2. Satz, einem ausdrucksvollen Adagio in a-moll, in dem die Oboe und danach die Streicher schwelgend orientalisch anmutende Klänge produzieren – eventuell ein Tribut an den zu der damaligen Zeit in Frankreich gerade sehr beliebten Exotismus, den Bizet unter anderem 1863 in seiner Oper Die Perlenfischer wieder aufgreifen sollte.
Der dritte Satz, betitelt mit Allegro vivace – Trio ist ein Scherzo, in dessen Trio eine Art Musette erklingt – die Bässe spielen lang ausgehaltene Töne, die an traditionell verwendete Sackpfeifen mit ihren charakteristischen Bordunbässen erinnern. Der vierte Satz enthält ein unwiderstehlich eingängig dahineilendes Perpetuum mobile-Thema und lässt die Sinfonie sehr schwungvoll enden.

Ich mag dieses Werk ganz besonders gern – es ist wunderbar geeignet, um gute Laune zu bekommen:
Alles wirkt so heiter und unwiderstehlich unbeschwert – die jugendliche Frische und der zuversichtliche, optimistische Tonfall springen den Hörer geradezu an und reißen ihn unwillkürlich mit! ;-)

Wenn man bedenkt, dass –gerade in Deutschland und Österreich- in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die Gattung Sinfonie eher ein irgendwie bedeutungsschwangerer, gewichtig-mächtiger Nimbus umwehte, dann ist es schön, mit diesem Werk ein Gegenbeispiel aus derselben Epoche aufzeigen zu können, das ohne Weiteres in seiner unterhaltsamen Unbefangenheit (ohne sich in Banalitäten zu verlieren) aus der Zeit der Wiener Klassik stammen könnte – es war also durchaus möglich, auch Mitte des 19. Jahrhunderts solche Sinfonien zu komponieren – allerdings war es hierbei dann wohl eher von Vorteil, kein deutscher Komponist zu sein und sich einer von Beethoven herrührenden imaginären „Verantwortungslast“ ausgesetzt zu sehen (man denke nur an Brahms und seine jahrelangen „sinfonischen Hemmungen“!) ...

Kein Wunder, dass sich Bizets Sinfonie heutzutage einer zaghaften, aber durchaus vorhandenen Beliebtheit erfreut, nicht zuletzt auch bei Musikern, die das dankbare Stück immer wieder gern spielen.

Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass Bizet selber dieses Werk zu seinen Lebzeiten nie gehört hat – das Manuskript wanderte unaufgeführt in die Bibliothek des Pariser Conservatoire und niemand schenkte ihm weiter Beachtung, bis 1935 der britische Musikhistoriker D. C. Parker (er hatte 1926 eine Bizet-Biographie verfasst) den Dirigenten Felix von Weingartner zur Uraufführung der 80 Jahre zuvor entstandenen Sinfonie bewegen konnte:
So wurde das Werk am 26.06.1935 in Basel unter Weingartners Leitung dann auch endlich uraufgeführt!

Ein Schicksal, das übrigens mehrere Werke Bizets teilen – viel zu lange verstaubten viele von ihnen vergessen in den Archiven...
Auch wenn die Sinfonie in C-Dur ihren etwas abwertenden Ruf als „Jugendwerk“ und den Charakter der bloßen „Unterhaltungssymphonik“ nie ganz losgeworden ist, hat mittlerweile doch zumindest sie (als einziges der hier heute vorgestellten Werke) einen gewissen Repertoire-Charakter inne. Qualität setzt sich eben irgendwann durch!

Das zweite Werk Bizets aus dem Jahr 1855, das ich vorstellen möchte, ist seine sogenannte Erste Ouvertüre (Première Ouvertüre), ein ungefähr 14-mintüiges Werk, das ebenfalls zu Bizets Lebzeiten unaufgeführt blieb und erst im Jahre 1938 (anlässlich der Gedenkfeiern zu seinem 100. Geburtstag uraufgeführt wurde!
Auch dieses effektvolle Stück scheint bei der Komposition eine reine Übung für Bizet gewesen zu sein.
Vom Aufbau her orientiert sich die Ouvertüre an den damals anscheinend noch immer sehr beliebten Ouvertüren Rossinis, Boieldieus oder Aubers. Gerade Rossinis Ouvertüre zu seiner 1829 in Paris uraufgeführten letzten Oper Wilhelm Tell scheint für Bizet konkretes Vorbild gewesen zu sein:
Wie sie ist auch seine Ouvertüre 4-teilig; einer langsameren Einleitung folgt ein stark bewegter Teil, der wie die Tell-Ouvertüre durchaus einen Sturm schildern könnte.
Dann folgt ein sehr lyrisches, vom Tonfall an italienische Opern erinnerndes Andante espressivo, dem – eingeleitet mit einer Fanfare, die mit der entsprechenden Stelle in der Tell-Ouvertüre fast identisch ist- ein abschließender schneller Teil folgt.
Während bei Rossini hier nun das weltberühmt gewordene „Tell-Thema“ folgt, lässt Bizet es nicht ganz so geschwind angehen, sondern verwendet unter anderem von den Holzbläsern dominierte Phrasen, die eher an Passagen aus anderen Rossini-Ouvertüren (wie z. B. La Cenerentola oder Der Barbier von Sevilla) erinnern. Jedenfalls stand meiner Meinung nach Rossini eindeutig Pate für diese schöne Ouvertüre, die im Gegensatz zur oben erwähnten C-Dur-Sinfonie allerdings nahezu unbekannt geblieben ist.

Beide Stücke sind auf der DECCA-Doppel-CD mit dem Orchestre symphonique de Montréal unter der Leitung von Charles Dutoit zu hören.
Die Einspielung aus dem Jahr 1995 enthält außerdem noch die beiden Carmen- und Arlésienne-Suiten, die Ouverture dramatique "Patrie" op. 19, sowie die Scènes bohémiennes aus der Oper La Jolie Fille de Perth und ist somit ein idealer Einstieg in die Orchestermusik Bizets, zumal mit den beiden Arlésienne-Suiten (eine Auswahl von Musik, die Bizet zu dem gleichnamigen Schauspiel schrieb) natürlich auch die populärsten Orchesterwerke Bizet vertreten sind (obwohl die zweite Suite von Bizets Freund Ernest Guiraud nach dem frühen Tod des Komponisten zusammengestellt und arrangiert worden ist) – Musik, die mich immer spontan (und zu jeder Jahreszeit) gedanklich direkt in den mediterranen Sommer versetzt!

Ein weiteres Jugendwerk Bizets (jetzt kommt zur Abwechslung aber auch mal ein Bühnenwerk) ist die im April 1857 uraufgeführte Operette Le Docteur Miracle, deren Entstehungsgeschichte darüber hinaus sehr interessant ist:

Der Kölner Jacques Offenbach (1819-80) hatte sich Mitte der 1850er Jahre in Paris mit seinen erfolgreichen, oft sehr frechen und gesellschaftskritischen Opéras-bouffons oder auch Bouffonneries musicales einen Namen gemacht und gründete 1855 -nunmehr ganz etabliert- an den Champs-Élysées sein eigenes Theater, die Bouffes-Parisiens .

Instinktsicher hatte Offenbach erkannt, dass die traditionelle französische Opéra comique, die im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts sehr erfolgreich und beliebt gewesen war, in ihrer althergebrachten Form nicht mehr ganz zeitgemäß war und hatte daraufhin die frechen und parodistischen sogenannten Opéras-bouffons kreiert, aus denen sich dann relativ schnell die Operette als neue Gattung entwickeln sollte. Der Publikumserfolg gab ihm Recht!

Es spricht für Offenbach, dass er sein Theater jungen französischen Komponisten zur Verfügung stellen wollte, um die Nachwuchs-Kollegen zu fördern, aber auch im eigenen Interesse die Bekanntheit der jungen Gattung der Opérette zu fördern.

Er kam auf die Idee, einen Wettbewerb auszuschreiben:
Das Libretto mit dem Titel Le Docteur Miracle von Léon Battu und Ludovic Halévy (übrigens ein Neffe des gleichnamigen Komponisten und Bizet-Lehrers) sollte vertont werden - im Stück kommen 4 handelnde Personen vor; das Werk sollte ungefähr dreiviertel Stunden dauern; das zur Verfügung stehende Orchester bestand aus 30 Musikern.

"Das Theater, das ich Ihnen öffne, verlangt nur drei Dinge von Ihnen: Geschicklichkeit, Kenntnisse und Einfälle" schrieb Offenbach in seinem Aufruf im Le Figaro am 17.07.1856.
Er traf damit ins Schwarze: Knapp 80 (!) Komponisten nahmen an dem Wettbewerb teil, dem zusätzlich zur Aufführungsoption noch ein Preisgeld in Höhe von 1.200 Francs beigegeben wurde.

In der hochkarätigen Jury saßen berühmte Männer der Pariser Musik- und Theaterszene, neben Offenbach waren dies die Herren Auber, Gounod, der Erfolgslibrettist Eugène Scribe und der Komponist Ambroise Thomas.

Nach einer ersten Vorauswahl bekamen dann 12 Kandidaten das Libretto zur Vertonung und am Ende konnte sich die Jury nicht zwischen zwei Beiträgen entscheiden und teilte den Preis auf zwischen dem 18-jährigen Bizet und seinem 6 Jahre älteren Studienkollegen Alexandre Charles Lecocq ( 1832-1918), der später dann tatsächlich ein populärer Operettenkomponist werden sollte.

Das Los entschied, dass Lecocqs Version am 08.04.1857, Bizets Operette am 09.04.1857 uraufgeführt werden sollte.
Die musikalischen Rahmenbedingungen in Offenbachs Theater waren natürlich exzellent und so wurde aus Offenbachs genialer Marketing-Idee ein voller Erfolg. Es folgten je weitere 11 Vorstellungen, dann gerieten beide Werke in Vergessenheit, bis man zumindest Bizets Werk dann im Jahr 1951 erstmals wieder aufführte!

Bizets Version des Docteur Miracle wurde von der Kritik sogar als origineller und witziger gelobt, Lecocq fand sie wohl auch nicht übel, "aber in manchen Teilen ein bisschen zu schwerfällig..." - naja

Bizets Operette besteht aus einer Ouvertüre und sieben Musiknummern und gerade die Ouvertüre schließt quasi nahtlos an den quirligen Finalsatz der C-Dur Sinfonie an: Sprühende Lebensfreude pur!
Der Einakter ist von der Handlung wohl bewusst einfach gehalten und beinhaltet die klassische Komödiensituation: Reicher Vater hat hübsche Tochter, die wiederum einen Liebhaber hat, der dem gestrengen Herrn Papa nicht zusagt. Mit einer List der Verliebten wird dieser jedoch am Ende zur Einwilligung in die Liaison gebracht.

Offenbach hatte ja selbst mit kleinen Einaktern seine Karriere in Paris begonnen und hielt diese übersichtliche Form anscheinend für den idealen Einstieg in das Genre.
Bizet findet auch hier schon seinen ganz charakteristischen Tonfall und komponiert beschwingt und komödiantisch, inspiriert von der italienischen Opera buffa. Er zeigt sich erneut als genialer Melodienerfinder und geschickter Instrumentator.
In der Arie der Tochter Laurette, eine Romance, in der sie ihre unglücklich-hoffnungslose Liebessituation zu Beginn des Stücks beklagt, kann er neben den burlesken auch gefühlvoll-schwärmerische Töne anbringen.

Der Höhepunkt des Werks ist eindeutig das recht bekannte gewordene Omelett-Quartett, in dem der später als rettender Wunderdoktor verkleidete Liebhaber dem gestrengen Herrn Papa ein (vermeintlich vergiftetes) Omelett zubereitet. Ein herrlich groteskes, musico-gastronomisches Stück, in dem Zeilen fallen wie
Voici l'omelette!
Elle se compose,
Notez bien la chose,
De beurre et puis d'oeufs
Bien battus entre eux!
Wo hat man schon mal die Gelegenheit, ein komponiertes Kochrezept zu hören… :-)
Auch hier bewundere ich wieder Bizets kompositorische Raffinesse und Treffsicherheit - er hatte zu dem Zeitpunkt bis auf ein lediglich im Freundeskreis (und nur mit Klavierbegleitung) aufgeführtes "Bühnenwerk" namens Le Maison du Docteur im Jahr 1855 komponiert (dem Titel nach eine Opéra comique in einem Akt) und verfügt doch quasi aus dem Stand über sämtliche technischen und dramaturgischen Kniffe, die für die Komposition eines solchen Werks notwendig sind!

Er hatte allerdings jede Menge theoretischer Kenntnisse im Opernsektor gesammelt, z. B. durch die Erstellung von Klavierauszügen - aber was ist schon Theorie gegen ausübende Praxis, wenn es "drauf ankommt"?

Ich hatte das Glück, den Docteur Miracle vor einigen Jahren in der Reihe "Oper am Klavier" an der Bonner Oper erleben zu dürfen.
Parallel zu einer Neuinszenierung der Carmen wurde hier eine konzertante Aufführung (jedoch "gewürzt" mit einiger szenisch-gestischer Interaktion der Sänger, die sehr komisch war) im Foyer des Opernhauses dargeboten. Ich war sofort hellauf begeistert!

Von diesem wieder einmal leider relativ unbekannten Werk gibt es begreiflicherweise nicht allzu viele Einspielungen auf dem Tonträgermarkt.
Die erst in diesem Jahr neu erschienene Aufnahme mit dem Orchestre Lyrique de Région Avignon Provence und einem jungen, rein französischen Ensemble unter der Leitung von Samuel Jean kann ich aufgrund ihrer Aktualität daher besonders empfehlen (nicht zuletzt auch deswegen, weil hier die gesamten Dialoge dieser Operette löblicherweise gleich mit aufgenommen wurden)!

Man sieht also an diesen nur wenigen Beispielen: Georges Bizet ist weit mehr als nur der Komponist der Carmen!

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