Mittwoch, 27. Februar 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Heute Mittag präsentierte Organist Wolfgang Abendroth folgende Stücke:

Max Reger (1873-1916)
aus den „Zwölf Stücken“ op. 59
Benedictus

Oreste Ravanello (1871-1939)
aus den „Konzertstücken für Orgel“ op. 50
Preludio
Preghiera
Musette
Elegie
Fughetta


Mit dem ausdrucksvollen Benedictus von Max Reger spielte uns Wolfgang Abendroth zu Beginn ein erklärtes persönliches Lieblingsstück, das am heutigen Tag auch als ein kleiner Gruß nach Rom gedacht sei, wie er augenzwinkernd zu Beginn des Konzerts erklärte - der gleichnamige „deutsche Papst“ hat schließlich heute seinen vorletzten Arbeitstag!

Ausgesprochen interessant und vielversprechend fand ich die nun folgenden 5 Orgelstücke eines italienischen Orgelkomponisten (und –professors), von dem ich bislang noch nicht einmal den Namen gehört hatte!
Dieser Zeitgenosse Max Regers (gekannt haben dürften sie sich wohl eher nicht) mit dem so überaus klangvollen Namen Oreste Ravanello wirkte immerhin als Organist am Markusdom in Venedig und als Dozent am dortigen Konservatorium, wie uns Herr Abendroth im Rahmen seiner kurzen Konzerteinführung erläuterte.
Die eigentlich sechs Konzertstücke des Opus 50, die neben deutlich zu vernehmenden Einflüssen der französischen Orgelschule des späten 19. Jahrhunderts auch eine unverkennbar italienische Note in sich tragen, werden durch einen festlichen Osterhymnus komplettiert, der jetzt in die Passionszeit nicht ganz gepasst hätte. An einem der Mittwochstermine nach Ostern wurde uns jedoch auch seine Aufführung heute bereits versprochen.
Für mich wieder einmal eine echte persönliche Entdeckung im heutigen Konzert! Soll nie einer behaupten, er habe schon alles gehört!

Mittwoch, 20. Februar 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Für das heutige Mittagskonzert hatte sich unser Organist Wolfgang Abendroth folgendes Programm ausgedacht:

Samuel Scheidt (1587-1654)
Partita “Jesus Christus, unser Heiland” in sechs Versen

Georg Philipp Telemann (1681-1767)/
Johann Gottfried Walther (1684-1748)
Concerto g-moll
von Walther für Orgel bearbeitet

Hugo Distler (1908-42)
Partita “Jesus Christus, unser Heiland”


Gerahmt wurde das Konzert von zwei Bearbeitungen des Lutherschen Chorals von 1524 “Jesus Christus, unser Heiland,/ der von uns den Gotteszorn wandt“ (der sowohl zur Passionszeit wie auch zur Abendmahlsfeier gesungen werden kann), wobei die ältere von Samuel Scheidt mit zahlreichen kompositorischen und stilistischen Raffinessen der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts aufwartet und die moderne, gleichwohl unüberhörbar von den alten Barockmeistern inspirierte Partita von Hugo Distler (dessen Orgelmusik man leider recht selten einmal zu hören bekommt!) zu ihrem älteren Vorläufer in reizvollem Kontrast steht, zumal ja auch hier der alte Luther-Choral die musikalische Grundlage bildet!

Im Mittelteil des heutigen Orgelkonzerts erklang die Orgelbearbeitung eines im Original für Orchester komponierten Concertos von Telemann, die von seinem Zeitgenossen, dem in Weimar tätigen Johann Gottfried Walther (der auch mit Johann Sebastian Bach befreundet war) angefertigt wurde – eine „Spezialität“ dieses Komponisten, der zahlreiche Werke für „sein“ Instrument, die Orgel, einrichtete und dabei großes Geschick und Geschmack bewies, so auch bei diesem viersätzigen Konzert, das unter anderem mit seinem unerwartet abrupten Schluss überraschte.

Mittwoch, 13. Februar 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Heute ist Aschermittwoch – hier in Köln und Düsseldorf haben wir damit dann auch mal wieder die „5. Jahreszeit“ heil überstanden und zum Beginn der Passionszeit spielte unser Organist Wolfgang Abendroth heute ein dazu passendes Programm, das auf die vor uns liegenden sechs Wochen einstimmte:

Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Choralbearbeitung “Jesus bleibet meine Freude”
aus der Kantate BWV 147

Marcel Dupré (1886-1971)
aus dem “Chemin de la croix” (“Der Kreuzweg”) op. 29
4. Station: Jesus begegnet seiner Mutter
5. Station: Simon von Cyrene hilft Jesus, sein Kreuz zu tragen
8. Station: Jesus tröstet die Frauen von Jerusalem

Johann Sebastian Bach
Präludium und Fuge h-moll BWV 544


Die zu Beginn des Konzerts erklingende Choralbearbeitung Bachs dürfte zu seinen wohl bekanntesten (und am häufigsten gespielten, immer wieder neu arrangierten) Melodien gehören – jeder kennt diese charakteristische Begleitfigur, die mit ihren wie eine endlose Perlenkette aus Tönen erscheinenden Dreierfiguren die eigentliche Choralmelodie umspielt.
Auch wenn Bach diesen Choral ursprünglich in seiner Kantate “Herz und Mund und Tat und Leben“ (BWV 147) erklingen (und eben auch singen) lässt, die anlässlich des Festtags zu Mariae Heimsuchung (das ist immer am 2. Juli) entstanden ist, so wird das unverwüstliche Stück mittlerweile zu nahezu allen nur erdenklichen Anlässen (in allen nur erdenklichen Besetzungsvarianten) gespielt: Weihnachten, Hochzeit, Trauerfeier – und eben heute zu Beginn der Passionszeit.
Das Schöne daran ist: Diese Musik passt immer – und sie ist auch nicht kaputt zu kriegen, egal, wie oft man sie auch schon gehört hat! Dieser Wirkung kann man sich einfach nicht entziehen, das finde ich fast noch das großartigste Phänomen an Kompositionen wie dieser!

Ganz konkret auf die Passionszeit bezogen waren im heutigen Programm drei der vierzehn vom Franzosen Marcel Dupré 1931/ 32 vertonten Kreuzwegstationen: Unser Organist hatte sich drei der ruhigeren Sätze ausgesucht, statt Dramatik also eher meditativ-verinnerlichende Klänge.

Zum Abschluss gab es heute dann nochmal Bach mit seinem großen Präludium und Fuge in der Tonart h-moll – ein Werk, das für Wolfgang Abendroth, wie er uns vor dem Konzert erläuterte, nicht nur aufgrund seiner charakteristischen Moll-Tonart und der schmerzhaft klingenden Chromatik, die Bach hier sehr intensiv einsetzt, untrennbar zur Passionszeit mit dazugehört.

Mittwoch, 6. Februar 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Im Rahmen seines ersten Lunch-Time-Orgelkonzerts in diesem Jahr präsentierte uns Wolfgang Abendroth, Kantor der Düsseldorfer Johanneskirche heute ein buntes Programm, das kleinere Werke von gleich sechs nicht ganz so bekannten Komponisten aus vier Jahrhunderten enthielt:

Johann Pachelbel (1653-1706)
Ciacona f-moll

Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621)
Ballo de Granduca

Jean-Jacques Charpentier (1734-89)
Fuge G-Dur

Emil Sjörgren (1853-1918)
3 Legenden für Orgel

Edward Elgar (1857-1934)
Carissima

Louis James Alfred Lefébure-Wély (1817-69)
Caprice


Nach einer eher ernsten, gleichwohl aber sehr ansprechenden Chaconne (diese Variationsform mag ich sowieso sehr gern) des Nürnbergers Pachelbel zu Beginn überwogen im heutigen Konzert – quasi als kleiner Tribut an die sich hier im Rheinland gerade ihrem Höhepunkt nähernde Karnevalssaison – eher die heiteren Stücke, so zum Beispiel die aufgrund ihrer flotten, synkopierten Rhythmen mehr nach 20. als nach 18. Jahrhundert klingende, ausgesprochen originelle Fuge des mir bis dato völlig unbekannten Franzosen Monsieur Charpentier.

Sehr geschmackvoll auch das Carissima (Allerliebste) betitelte Salonstück (wohl ein Frühwerk) des Briten Elgar, das im heutigen Konzert in einer Orgelversion erklang – ob diese auch vom Komponisten oder einem späteren Bearbeiter stammt, habe ich leider nicht herausfinden können.

Jedenfalls waren heute wieder eine ganze Reihe interessanter Repertoire-Entdeckungen mit von der Partie!

Sonntag, 3. Februar 2013

Ein Abend in der Oper - "Xerxes" in Düsseldorf

Ergänzend zu meinen ziemlich regelmäßigen Besuchen von Vorstellungen des Kölner Oper, picke ich mir immer wieder mal mir interessant erscheinende Aufführungen der Düsseldorfer Deutschen Oper am Rhein heraus.
Vergangenen Mittwoch (30. Januar) war es – nach nun doch fast genau 2 Jahren – dann mal wieder soweit: Es stand eine Aufführung der Oper Xerxes von Georg Friedrich Händel (1685-1759) auf dem Programm und die wollte ich mir als Barockopernfan natürlich nicht entgehen lassen!

Die Premiere dieser Inszenierung von Stefan Herheim war am 26. Januar, die von mir besuchte Vorstellung die zweite in dieser noch bis Mitte Februar angesetzten Aufführungsreihe. Weitere Details, Pressestimmen und Fotos siehe hier.

Vor einem guten Monat habe ich ja mit dem konzertant aufgeführten Artaserse in Köln bereits eine exzellent musizierte Barockoper erleben dürfen, umso größer war nun meine Neugier darauf, wie die Düsseldorfer Kollegen diesen beliebten Klassiker von Händel darbieten würden.

Die Oper Xerses (oder Serse, wie sie im italienischsprachigen Original heißt) gehört zu den letzten Opern, die Händel in London komponierte. Sie wurde am 15. April 1738 (also 8 Jahre nach dem oben erwähnten Artaserse und damit vor genau 375 Jahren) im King’s Theatre am Londoner Haymarket uraufgeführt und fällt damit in eine Zeit, in der das Interesse und die Begeisterung der Londoner für die italienische Opera seria bereits deutlich nachgelassen hatte.
Kein Vergleich mehr zu der Begeisterung und dem „Hype“, den solche Opernaufführungen noch in den 1720er Jahren beim englischen Publikum ausgelöst hatten!
Händel hatte seinen Kompositionsstil bereits in den Jahren vor dem Serse an den sich wandelnden Publikumsgeschmack angepasst – so komponierte er beispielsweise betont liedhafte, knapper gefasste Arien – aber auch mit solchen Maßnahmen konnte er den Niedergang dieser Opernform in London allenfalls etwas hinauszögern, nach der Oper Imeneo 1740 und der Deidamia im Jahr 1741 endet sein umfangreiches, einen Zeitraum von fast 40 (!) Jahren umfassendes Opernschaffen und dafür beginnt sein Stern als erfolgreicher Oratorienkomponist in der Zeit danach endgültig zu strahlen.

Während der Serse (wie auch die anderen späten Händel-Opern) beim Publikum durchfiel und nach wenigen Vorstellungen endgültig abgesetzt wurde, entwickelte sich aber gerade diese Oper im Zuge der in den 1920er Jahren einsetzenden Händel-Opern-Renaissance zu einer der beliebtesten aus seiner Feder – neben dem Rinaldo, der Alcina, dem Giulio Cesare in Egitto und vielleicht auch noch der Rodelinda.

Diese Beliebtheit des Xerxes beim (heutigen) Publikum ist sicherlich auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass es sich hierbei um keine „strenge“ Opera seria handelt, sondern sie durchweg auch ironische bis komische Züge trägt (obwohl man sie nicht als Opera buffa bezeichnen kann), die die Handlung auflockern und von Händel vielleicht auch als ein Zugeständnis an sein immer kritischer werdendes Opernpublikum gedacht waren.

Die Oper, die auf einem alten Libretto von Niccolò Minato (ca. 1630-98) basiert, das im Jahr 1654 erstmals vom damaligen Star der italienischen (oder präziser: venezianischen) Oper, Francesco Cavalli (1602-76) vertont und auf die Bühne gebracht worden war, enthält nach einer gründlichen Überarbeitung und Kürzung durch einen unbekannten Librettisten jedoch noch immer einige Züge der ursprünglichen venezianischen Oper, deren charakteristisches Merkmal die (allerdings manchmal etwas chaotisch-zusammenhanglose) Verbindung ernster und heiterer Elemente (meist repräsentiert durch komische Dienerfiguren) in ein- und demselben Stück war:
So trägt beispielsweise die Figur der Atalanta deutlich die Züge eines unbeschwerten, eher sorglos-burlesken Charakters (den man später vielleicht als „Soubretten-Typus“ beschreiben würde) und die nun definitiv komische Figur des Dieners Elviro ist mehr oder weniger unverändert aus dem Ursprungslibretto aus dem 17. Jahrhundert hinübergerettet worden (während zahlreiche andere Figuren komplett gestrichen wurden – ein Vergleich beider Textbuchversionen ist ausgesprochen interessant und aufschlussreich!) und stellt als klassische „Buffo“-Figur ein Unikum in Händels umfangreichem Opernschaffen dar, dessen musikalische Umsetzung ihm nichtsdestotrotz sehr ansprechend gelungen ist!

Die Düsseldorfer Inszenierung entstand als Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin, wo die Oper im Frühjahr 2012 zu erleben war. Aufgrund dieses Umstand ist es auch zu erklären, dass die Aufführung in deutscher Sprache erfolgte, denn genau dies ist ja seit Jahrzehnten eines der Merkmale des berühmten Berliner Opernhauses und da Regisseur Stefan Herheim hierfür extra die deutsche Fassung von Eberhard Schmidt einer „Frischzellenkur“ mit zahlreichen modernen Wendungen und für eine Barockoper ungewohnt flotten Sprache unterzogen hatte, die man offenbar auch dem Düsseldorfer Opernpublikum nicht vorenthalten wollte, wurde der Serse daher auch hier am Rhein als deutschsprachiger Xerxes gegeben, was in der heutigen Zeit ja nun nicht mehr so selbstverständlich ist.
Da man die meist international besetzten Opernensembles nicht immer optimal verstehen kann, hatte man sich dankenswerterweise auch für diese Aufführung für die Verwendung von Übertiteln entschieden – zum Lob der Sängerinnen und Sänger muss allerdings gesagt werden, dass dies eigentlich nicht wirklich nötig gewesen wäre, denn die Textverständlichkeit, mit der alle Beteiligten zu Werke gingen, war wirklich exzellent!

Der Programmzettel des Abends sah wie folgt aus:

Xerxes: Valer Barna-Sabadus
Arsamenes: Terry Wey
Amastris: Katarina Bradic
Ariodates: Torben Jürgens
Romilda: Heidi Elisabeth Meier
Atalanta: Anke Krabbe
Elviro: Hagen Matzeit
Chor, Statisterie und Mitarbeiter der Technik der Deutschen Oper am Rhein
Neue Düsseldorfer Hofmusik
Leitung: Konrad Junghänel


Wie schon beim Besuch der Oper Platée vor 2 Jahren sorgte auch diesmal die Neue Düsseldorfer Hofmusik unter der Leitung des sich zurzeit offenbar permanent im Dauereinsatz für Operndirigate des 18. Jahrhunderts befindlichen, wieder einmal famosen Konrad Junghänel (er war zuletzt im Herbst in Köln mehrfach in Sachen Mozart im Einsatz!) für eine gelungene, sowohl transparente, wie auch rhythmisch schwungvolle instrumentale Begleitung des Abends.
Für eine farbige, nie eintönige Begleitung der Rezitative und Arien sorgte eine neben den unverzichtbaren Instrumenten Cembalo und Violoncello (beide hier übrigens gleich in doppelter Besetzung vertreten!) zusätzlich mit Barockharfe sowie Theorbe und Gitarre sehr schön besetzte Continuogruppe.

Valer Barna-Sabadus (li.) u. Torben Jürgens
(Foto: Hans Jörg Michel)
Sehr gespannt war ich übrigens auf den Sänger der Titelpartie, den jungen Countertenor Valer Barna-Sabadus, der in jüngster Zeit stark von sich reden machte und den ich erst Ende Dezember in der schon erwähnten Oper Artaserse in der Verkörperung der Frauenrolle der Semira erleben konnte, wo er diese Partie durch seine zurückhaltende, sanfte Interpretation durchaus glaubhaft rüberzubringen verstand.
Valer Barna-Sabadus (li.) u. Torben Jürgens
(Foto: Hans Jörg Michel)
Und jetzt – was für ein Gegensatz – spielte er mit der Rolle des persischen Königs Xerxes einen despotischen, vor viriler Männlichkeit nur so überbordenden Macho, der gewohnt ist, sich die Frauen zu Geliebten nehmen zu können, wie es ihm gerade gefällt! Und ich muss sagen, auch hier überzeugte er nicht nur gesangstechnisch sondern – mit spürbarer Freude an der vom Regisseur hier vorgesehenen Überzeichnung - eben auch darstellerisch auf ganzer Breite und präsentierte dem begeisterten Publikum diesen barocken „Don Giovanni“, dem letztendlich alles, was er anpackt, danebengerät und der am Ende von der Liebe und der Vergebung seiner alten (und neuen) Verlobten Amastris abhängig ist!

Auch die anderen Solistinnen und Solisten des Abends konnten durch die Bank überzeugen, auch wenn gelegentlich (so jedenfalls mein Eindruck) vor allem Katarina Bradic als Amastris und Anke Krabbe in der Rolle der Atalanta ein wenig Mühe hatten, sich stimmlich gegen das Orchester durchzusetzen (aber das war wie gesagt nicht durchgängig der Fall).

Heidi Elisabeth Meier (li.) u. Terry Wey sowie Statisten
(Foto: Hans Jörg Michel)
 
Sehr ansprechend auch der mir bis dato noch nicht bekannte Schweizer Countertenor Terry Wey in der Rolle des Arsamenes. Und die Tatsache, dass mit Heidi Elisabeth Meier, Anke Krabbe und Torben Jürgens gleich drei Mitglieder des Opernensembles der Düsseldorfer Deutschen Oper am Rhein an dieser Produktion mitwirkten, spricht für die Qualität der rheinischen Nachbarn in unserer Landeshauptstadt!

Neben Katarina Bradic war auch der Bariton Hagen Matzeit bereits an der Xerxes-Produktion der Komischen Oper Berlin im vergangenen Jahr beteiligt, was sich auch daran bemerkbar machte, dass er in der Szene zu Beginn des 2. Aktes, wo er als burschikose Blumenverkäuferin verkleidet einen Brief zustellen soll, munter drauflos „berlinert“, was in Form eines händelschen Seccorezitativs zwar etwas ungewohnt, aber irgendwie gerade deshalb ganz besonders amüsant klang!

Es hat mich zwar überrascht, aber in der Berliner Produktion wurden die Rollen des Xerxes und des Arsamenes tatsächlich nicht mit Countertenören sondern (wie vor wenigen Jahren eigentlich noch ganz selbstverständlich) mit zwei Damen besetzt – ohne deren darstellerische wie gesangliche Leistung zu kennen, muss ich sagen, dass die Düsseldorfer Inszenierung durch den Einsatz zweier „richtiger“ Männer in diesen Herrenrollen nochmal einen zusätzlichen Pluspunkt für sich verbuchen konnte, denn so war die Wirkung dieser beiden Figuren doch gleich nochmal eine ganz andere!

Wie weit die „Wiedereroberung“ der barocken Opernmusik mittlerweile fortgeschritten ist, zeigte auch diesmal wieder die Selbstverständlichkeit und Souveränität, mit der Orchester und Solisten diese alte Musik mit neuem, vor Energie und Spielfreude nur so sprühenden Leben zu erfüllen verstanden!

Was noch vor 25 oder 30 Jahren mitunter etwas akademisch und ehrfürchtig-steif zu klingen drohte, ist mittlerweile zu einem ausgesprochen mitreißenden Musikerlebnis geworden, was sich an dem Abend an vielen Kleinigkeiten zeigte, wenn man beobachten konnte, wie Sänger, Dirigent und Orchestermusiker miteinander kommunizierten, wenn es um die Umsetzung der in dieser Musik ja immer auch präsenten (und deshalb so wichtigen) improvisatorischen Elemente ging: Seien es vokale Verzierungen, abrupte Tempowechsel oder Pausen (die mitunter auch als Elemente ins komödiantische Spiel mit einbezogen wurden) – das alles wirkte so spielerisch und selbstverständlich, dass man darüber total vergaß, was für eine technische Könnerschaft und Vertrautheit mit dieser ja heute eigentlich nicht mehr ganz so geläufigen Musik alle Beteiligten hier an den Tag legten!

Wenn zum Beispiel Xerxes im 1. Akt die ihm (inkognito) auflauernde Amastris (die ihm nach wie vor hoffnungslos verfallen ist) mit seinen verschwenderischen, geradezu spielerisch vorgetragenen Endlostrillern in geradezu körperlich vibrierende Lustzustände hineinsingt, geschieht das in einer virtuosen Mischung aus intensiver Interaktion mit Dirigent und Orchester, szenischer Aktion und betörender, hochvirtuoser Gesangskunst, die wirklich ihresgleichen sucht! Wer da noch behauptet, dass Barockmusik (und speziell Barockopern) der Inbegriff der Langeweile wären, der hat wirklich nichts verstanden! Aber beim Hören von Interpretationen wie dieser wird deutlich, warum die Barockoper in den letzten 20 Jahren noch einmal einen solchen Beliebtheitsschub beim Publikum erlebt hat!

Um nun noch zur Inszenierung zu kommen:

Das Konzept von Regisseur Stefan Herheim sah vor, eine Art „Theater auf dem Theater“-Spiel zu zeigen: Die Darsteller der Barockoper zur Zeit der Entstehung Ende der 1730er Jahre in London spüren ganz offensichtlich, dass das Ende ihres dortigen Wirkens naht.

Die in dieser Inszenierung gezeigten Mitglieder des Opernensembles schlüpfen zwar immer wieder in ihre typisierten barocken Opernrollen, können aber auch in den Szenen, die hinter der Bühne spielen und wohl so etwas wie die privaten Beziehungen der Darsteller untereinander zeigen sollen, nicht mehr wirklich von den standardisierten Gesten und Posen der von ihnen verkörperten Bühnenfiguren lassen und so wurde dann mit stets ironisierend-überzeichneter Gestik und Mimik fröhlich weitergespielt, mit großer, routiniert einstudierter Geste geliebt, gelitten und gerächt.

Hierbei konnte dann als zusätzliches Stilmittel auch die Sprache eingesetzt werden: Denn immer, wenn es ganz besonders barocktypisch zuging, also beispielsweise ein großer, energiegeladener Zornes- oder sonstiger Gefühlsausbruch in Form einer Arie anstand, wurde diese dann auch in der italienischen Originalsprache vorgetragen, um die Künstlichkeit der gerade dargestellten Situation noch besonders zu betonen. Ein Kunstgriff, der sich erstaunlich gut und wie selbstverständlich in die auf Deutsch gesungenen Restteile der Aufführung fügte!

Übrigens wurde auch die mit Abstand berühmteste Arie der Oper, das ganz zu Beginn erklingende weltberühmte Largo (das eigentlich ein Larghetto ist) Ombra mai fù von Valer Barna-Sabadus ganz wunderbar einfühlsam auf Italienisch gesungen – eine deutsche Übersetzung hätte hier mit Sicherheit nicht nur überflüssig sondern auch störend (und etwas holprig) gewirkt!

Katarina Bradic (Foto: Hans Jörg Michel)
Das Publikum erlebt das Ensemble in dieser Inszenierung nun also auf und hinter der Bühne des King’s Theatre (oder eines anderen Theaters dieser Epoche), was natürlich schon deshalb faszinierend mitanzusehen war, weil eben auch die ganzen uralten Theatertechniken mit Seilzügen, Schiebekulissen, hin- und herschaukelnden Wellen aus Pappmaché, Windmaschinen, etc. in Aktion zu erleben waren und man – weil eben nicht nur die Bühne selber, sondern dank der (modernen und damit komplett lautlosen) Drehbühnentechnik immer wieder auch die Räumlichkeiten links und rechts davon zu sehen waren – auch die Bühnenarbeiter dabei beobachten konnte, wie sie in Windeseile neue Bühnenbilder auf- und abbauten, riesige (ausgesprochen kunstvoll bemalte) Kulissenteile hin- und herbewegten oder aus Leibeskräften an großen Seilwinden kurbelten, um Vorhänge oder Kulissenelemente vom Schnürboden herunterzuholen oder wieder nach oben zu befördern. Das war wie eine Anschauungslektion in Theatergeschichte und eine mit Sicherheit ausgesprochen schweißtreibende, reine Handarbeit ganz wie in alten Zeiten!

Und weil die Bühnenarbeiter in dieser Produktion eben nicht nur unsichtbar irgendwo im Backstagebereich agierten, hatte man sie gleich in zeitgenössische Kostüme gesteckt und in das Spiel mit einbezogen, was dann auch dazu führte, dass auch sie – neben Chor und Statisterie – am Ende ihren wirklich wohlverdienten Applaus bekamen!

Vor gut 20 Jahren habe ich zuletzt eine Xerxes-Inszenierung auf der Bühne erleben dürfen – das war im Stadttheater Koblenz und – seltsamer Zufall – auch diese Produktion war in deutscher Sprache gegeben worden. Seinerzeit hatte man einen meiner Meinung nach ganz guten Mittelweg zwischen Ernsthaftigkeit (die dargestellten amourösen Wirren zwischen Arsamenes, Xerxes, Romilda und Amastris enthalten ja durchaus auch sehr anrührende Momente tiefempfundenen Liebesleids!) und der das ganze Stück durchziehenden Ironie sowie der komischen Momente gefunden.

Die Düsseldorf-Berliner Produktion drohte für meinen Geschmack teilweise etwas zu sehr ins Klamaukige umzukippen, was insgesamt zwar dem Publikum einen großen Spaß bereitete, der Musik Händels (der ja – wie schon bemerkt – mit dem Xerxeseben keine Opera buffa geschrieben hatte!) nicht unbedingt durchweg entgegenkam.

Um nur ein Beispiel zu nennen:
Wenn im 2. Akt Xerxes die überaus virtuose Arie Se bramate d’amar che vi sdegna zu singen hat, erlebt man gleichzeitig, wie die auf ihre Schwester Romilda eifersüchtige Atalanta dem König ständig neue Utensilien reicht, damit dieser für sie die unliebsame Schwester, die den auch von ihr begehrten Prinzen Arsamenes für sich beansprucht, aus dem Weg räumt.
Wie in einem klassischen Slapstick- oder Zeichentrickfilm folgen so Dolch, Schwert, Giftschlange, Armbrust, Kanone, die der völlig unfähige Xerxes jeweils auf ungeschickt-komische Art und Weise gegen Romilda einzusetzen versucht, was jedoch (erwartungsgemäß) jedes Mal in einer größeren Katastrophe endet: So wird beispielsweise mit dem Kanonenschuss die hintere Kulissenwand und gleich auch noch die Rückwand des Theatergebäudes durchschossen, mit dem in den Bühnenhimmel verschossenen Armbrustpfeil fällt gar der durchbohrte Amor dem verdutzten Xerxes vor die Füße, usw.
Valer Barna-Sabadus, Heidi Elisabeth Meier
(Foto: Hans Jörg Michel)
Keine Frage, das alles ist szenisch wie darstellerisch perfekt getimt umgesetzt und bereitet dem Publikum einen Heidenspaß – ein großes Kompliment an den wackeren Valer Barna-Sabadus, wie er es schafft, neben all dieser szenischen Aktion ganz wie nebenbei auch noch die höllisch schwere Arie darzubieten, die dadurch, obwohl eines der Paradestücke der Partitur, leider doch etwas sehr ins Hintertreffen gerät, weil eben keiner mehr richtig zuhört und sich die ganze Aufmerksamkeit nur noch auf die (hinzugedichtete) szenische Aktion konzentriert!

Die Rheinische Post betitelte ihre Rezension dann auch etwas bissig mit Händels „Xerxes“ als barocke Muppet-Show, wobei ich diesen Vergleich durchaus als Kompliment auffassen würde, denn das Ganze war – trotz der Aufführungsdauer von dreieinhalb Stunden (inkl. einer etwa 20-minütigen Pause) – ausgesprochen kurzweilig und die Vorstellung war auch fast vollständig ausverkauft.

Valer Barna-Sabadus, Chor und Statisterie
(Foto: Hans Jörg Michel)
All die zahlreichen kleinen Gags und originellen Ideen aufzuzählen, mit der diese Inszenierung aufwartet, würde hier den Rahmen sprengen – es war jedenfalls ein tolles Theatererlebnis, allein schon der tollen barocken Kostüme oder der – durchaus historischen Vorbildern nachempfundenen – wunderschön anzusehenden Tableaus wegen, wenn sich alle Darsteller (inklusive der Statisterie und des Chors, der in dieser Oper zwar durchaus nach Händel klingende, dabei aber geradezu grotesk kurze Einsätze zu singen hat!) zu pittoresken Ensembles beispielweise zwischen allerliebst gemalten Wolken und Sonnenstrahlen formierten, um den immer wieder gern überzeichnet dargestellten Ruhm und die Größe des Königs Xerxes zu versinnbildlichen.

Ein ausgesprochen unterhaltsamer, musikalisch begeisternder Barockopernabend – am Ende gab es Standing Ovations für alle Beteiligten!