Mittwoch, 26. Juni 2013

Heute (und vergangene Woche) in der Lunch-Time-Orgel

Im Moment komme ich irgendwie nicht hinterher: Letzte Woche Mittwoch (19. Juni) war ich zwar wie üblich bei der Lunch-Time-Orgel zu Gast, musste aber direkt danach dienstlich verreisen, so dass ich keine Zeit hatte, hier wie üblich an dieser Stelle über das Konzert zu berichten. Daher hole ich das jetzt einfach mal in dieser Woche im Rahmen einer „Doppelausgabe“ nach…

Vergangenen Mittwoch spielte Udo Flaskamp als Gastorganist das Konzert für uns. Er ist Leiter für die Bereiche Kommunikation und Marketing in der Düsseldorfer Tonhalle, hat aber in Köln auch Kirchenmusik studiert und ist überdies seit mehreren Jahren als ehrenamtlicher Organist der evangelischen Kirchengemeinde in Dormagen und Zons tätig.

Er hatte uns dann auch konsequenterweise ein Programm mitgebracht, das er im Rahmen seiner kurzen Programmeinführung als „klassisch-protestantisch“ bezeichnete:

J. S. Bach (1685-1750)
Präludium und Fuge c-moll
Canzona in D-Dur
Toccata und Fuge d-moll BWV 565

Max Reger (1873-1916)
aus den „12 Stücken für die Orgel“ op. 59
Nr. 1 Präludium in e-moll
Nr. 11 Melodia
Nr. 5 Toccata in d-moll
Nr. 6 Fuge in D-Dur


Die Gegenüberstellung von Bach und Reger (der immerhin der Orgelmusik im deutschsprachigen Raum zu Beginn des 20. Jahrhunderts ganz entscheidende Impulse für ihre weitere Entwicklung gab!) ist tatsächlich immer wieder ein aufschlussreiches Thema für Orgelkonzerte – man merkt deutlich den Einfluss, den Bach auf Max Reger ausübte und kann zugleich gut nachvollziehen, dass er dennoch konsequent seinen eigenen Weg verfolgt hat.

Das umfangreiche Programm der letzten Woche führte dazu, dass das Mittagskonzert statt wie üblich eine gute halbe Stunde diesmal sogar fast 45 Minuten dauerte – eine zeitliche „Zugabe“, die es so häufig bislang auch noch nicht gegeben hat…

Schade fand ich die Tatsache, dass unser Organist die beiden berühmten Toccaten (nebst den darauffolgenden Fugen) in einem derart atemberaubenden Tempo „durchpeitschte“, wie ich es bislang auch noch nicht gehört habe!
Das war sicherlich in höchstem und respektgebietenden Maße virtuos, denn es war an keiner Stelle zu vernehmen, dass der Vortragende dabei „aus der Kurve gefallen“ wäre, aber die vielen schönen Stellen, an denen man die Dramatik (und die interessante Harmonik) sicher besser dadurch rübergebracht hätte, wenn man ab und an mal das Tempo etwas gedrosselt oder gar durch ein raffiniert eingesetztes Ritardando/ Ritenuto die dramaturgische Spannung weiter angefeuert hätte, gingen so leider im rasanten Strom der Töne völlig unter!
Ich habe keine Ahnung, warum es bei diesen Stücken derart schnell gehen musste, vielleicht fürchtete unser Organist, dass das Konzert sonst noch länger ausgefallen wäre, als es eh schon war? Schade, aber ansonsten wieder mal eine gelungene Orgelmittagspause der besonderen Art!


Im heutigen Mittagskonzert konnten wir Wolfgang Abendroth dank des mobilen Orgelspieltisches wieder mal bei seiner Arbeit beobachten. Dieser war heute schräg vor den Kirchenbänken positioniert und so konnten wir Zuhörer unseren Organisten im Profil beim Bedienen der zahlreichen Manuale und Pedale mit folgendem Programm erleben:

J. S. Bach (1685-1750)
Partita “O Gott, du frommer Gott“ BWV 767
in neun Sätzen

Sigfrid Karg-Elert (1877-1933)
Choralvorspiel “O Gott, du frommer Gott“ op. 65 Nr. 45

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-47)
Präludium und Fuge in d-moll op. 37 Nr. 3


Der Schwerpunkt dieses Konzerts lag auf dem aktuellen Wochenlied, dem Choral “O Gott, du frommer Gott“, der in einer älteren Melodie (die in der Partita von Bach verarbeitet wurde) und einer jüngeren Melodie (als Grundlage des meditativen, kanonartig aufgebauten Vorspiels aus der umfangreichen Sammlung des Opus 65 von Sigfrid Karg-Elert) vorliegt.

Zum Abschluss gab es mit dem in düster-dramatischen d-moll daherkommenden Präludium und Fugen-Doppel von Mendelssohn dann noch einen Orgelklassiker des frühen 19. Jahrhunderts, der sich unverkennbar an den großen Bach’schen Vorbildern orientiert und dennoch nicht bloß stumpfsinnig nachgeahmt barock klingt.

Mittwoch, 12. Juni 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wolfgang Abendroth spielte heute Mittag für uns französische Orgelmusik aus dem Barock und dem 19. Jahrhundert:

Nicolas de Grigny (1672-1703)
Offertoire
Dialogue de flûtes pur l‘Elevation
Dialogue pour la Communion

César Franck (1822-90)
Petit Offertoire

Louis James Alfred Lefébure-Wély (1817-69)
Offertoire a-moll
Offertoire F-Dur


Die heute gespielten Kompositionen entstanden sämtlich zu liturgischen Zwecken und erklangen während der katholischen Messe an den in ihren jeweiligen Titeln erwähnten Stellen und dienten zur Untermalung der liturgischen Handlung. Gerade für das Offertorium (die Gabenbereitung, die der Eucharistiefeier - also dem Abendmahl - vorangeht) entstanden hier im Laufe der Zeit die oft umfangreichsten Musikstücke, da dies traditionell der Punkt innerhalb der Messe war, an dem ein längerer Zeitraum musikalisch überbrückt werden musste.

So bekamen wir heute – neben zwei kürzeren Stücken, die nach der Wandlung und zur Kommunion gespielt werden sollen – dann auch gleich vier Offertoriumsmusiken zu hören:
Neben der festlichen und klangprächtigen Komposition aus dem Barock von Nicolas de Grigny ein eher zurückgenommenes, fast schon traurig anmutendes Offertorium von César Franck und schließlich die beiden virtuosen Offertorien von Lefébure-Wély, die in seinem typischen Stil komponiert wurden:
Seine Orgelkompositionen (wohlgemerkt auch explizit die für die Messe vorgesehenen) zeichnen sich fast alle durch ein deutlich am Stil der zu seiner Zeit populären Opernmusik orientierten Klangideal aus.
Dies wurde von seinen damaligen Zuhörern nicht etwa kritisiert, sondern geradezu erwartet und machte ihn zu einem ausgesprochen populären Organisten und Komponisten!
Das verwöhnte Pariser Publikum schätzte es offenbar außerordentlich, auch während des Kirchgangs von populärer, ja schmissiger Musik der aktuellsten Mode unterhalten zu werden, daran nahm seinerzeit offenbar niemand Anstoß - das wäre auch ein interessantes Argument für diejenigen, die in der heutigen Zeit auch für mehr moderne Musik im Gottesdienst eintreten! Für unsere heutigen Ohren klingen beispielsweise einige der Sorties (also die Musik, die am Ende des Gottesdienstes zum Auszug gespielt wird) von Lefébure-Wély eher wie Musik für eine Jahrmarktsorgel, aber die Geschmäcker ändern sich halt und die Kirchgänger damals liebten diese schwungvollen „Rausschmeißer“ ganz offensichtlich.
So überraschte es dann auch nicht, dass auch die beiden heute zu hörenden schwungvollen Offertoires eher an Opernouvertüren oder dergleichen erinnerten – und so gar nichts Kirchliches an sich zu haben schienen, aber warum auch nicht?
Effektvolle (und überaus hörenswerte) Musik bleibt es ja trotzdem und der immer wieder geäußerte Vorwurf, dass irgendein Musikstück nicht kirchlich genug klingen würde, zieht sich durch mehrere Jahrhunderte der Musikgeschichte – das ist so gesehen also auch nichts Besonderes… ;-)

Mittwoch, 5. Juni 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Drei Stücke aus dem 20. Jahrhundert, die „nach alter Väter Sitte“ auf Choralmelodien basieren, spielte Wolfgang Abendroth heute Mittag für uns. Den mobilen Orgelspieltisch hatte er diesmal zur Abwechslung so platziert, dass wir seine virtuose „Beinarbeit“ auf den Pedalen quasi in Profilansicht sehr gut beobachten konnten (und da gab es heute wirklich einiges zu tun!).

Hermann Schröder (1904-84)
Choralbearbeitung “Nun bitten wir den Heiligen Geist“
Choralbearbeitung “Schönster Herr Jesu”

Sigfrid Karg-Elert (1877-1933)
Symphonischer Choral “Jesu, meine Freude“ op. 87 Nr. 2
1. Introduzione (Inferno)
2. Canzone
3. Fuga con Corale


Zunächst erklangen zwei kürzere Choralbearbeitungen des Kölner Organisten, Komponisten und Professor an der dortigen Musikhochschule Hermann Schröder. Hier fand ich besonders die zweite mit ihrem lyrischen Charakter sehr gelungen.

Sodann folgte der große, dreiteilige Symphonische Choral von Sigfrid Karg-Elert, von dem schon länger keine Komposition mehr auf dem Programm gestanden hatte.

Nach einem streckenweise wild-virtuosen und zerrissen wirkenden ersten Satz folgte die sehr sangliche Canzone (deswegen wohl die Wahl dieser Satzbezeichnung) mit weit ausgeschwungener Melodiestimme – sehr schön! Wie uns Herr Abendroth im Rahmen seiner kurzen Konzerteinführung versicherte, hat der Komponist die titelgebende Choralmelodie auch in diesen Satz eingearbeitet, auch wenn sie – im Gegensatz zu den beiden Ecksätzen – hier für den Zuhörer nicht zu erkennen ist.
Unmittelbar und ohne Übergang folgte dann der dritte Satz, der zunächst mit einem markanten, bewegten Fugenthema beginnt, das nichts mit der bekannten Choralmelodie zu tun hat, mit dieser im Verlauf des Satzes dann aber raffiniert kombiniert und verschränkt wird.
Zum Schluss wird die Choralmelodie dann – immer wieder von virtuosen Einwürfen unterbrochen – in Gänze zitiert, gewaltig in ihrer Klangpracht und üppig spätromantisch in der Entwicklung der hierbei verwendeten Harmonien. Ein toller Abschluss, wie man ihn von einem Komponisten wie Karg-Elert aber auch nicht anders erwartet hätte!

Dienstag, 4. Juni 2013

Fundstück der Woche

“Boah, kumma Alter, voll krass: Da gibt’s HEAVY CLASSIX von WAGNER!“
“Kenn‘ isch – der macht ’ne endgeile Mucke, voll der fette Sound, ey! Bei dem geht’s immer voll ab!“
“Jo – und der hat ’ne geile Stimme…!“

So oder so ähnlich könnte sich das anhören, wenn die Marketingstrategie der Deutsche Grammophon so aufgeht, wie man sich das dort mit dem neusten Beitrag zum Wagner-Jahr offenbar vorstellt:

Dieses ganz offensichtlich auf eine Zielgruppe von 15 - 30-jährigen Käufern zugeschnittene „Best of Wagner“ im energetischen Metallik-Look (so der begleitende Werbetext) bietet in seiner Zusammenstellung zwar jetzt nicht wirklich große Überraschungen (warum sollte es auch?); die auf den 2 CDs vertretenen Stücke enthalten immerhin viel Orchestermusik und etwas Gesang, wie es dann weiter in der offiziellen Produktbeschreibung fast schon ein bisschen verschämt-entschuldigend heißt…
Etwas Gesang wird der geneigte (angehende) Wagner-Fan wohl ertragen können und müssen, denn sonst lernt man den Bayreuther Meister ja nun wirklich nicht in Gänze kennen – und so gibt es eben auch ein bissel Liebestod, Brautchor und ein paar Ausschnitte aus dem Ring in vokaler Form neben zahlreichen Ouvertüren, Siegfried-Idyll und bekannten Orchesterszenen aus den Opern, dargeboten von den üblichen Verdächtigen (Böhm, v. Karajan, Nilsson, etc.) aus den Klangarchiven der Deutsche Grammophon, was an sich ja so schlecht nicht ist, wobei sich natürlich die Frage stellt, ob man eine jüngere Zielgruppe nicht viel eher mit (wenigstens einigermaßen) jungen Interpreten von heute hätte begeistern können, aber eine solche Neuaufnahme hätte ja wieder viel zu viel Geld gekostet – und wozu hat man schließlich Archive…?

Obligatorisch für die heutige Zeit dann auch der unvermeidliche Hinweis im Werbetext, in welchen Filmen allein der berühmte Walkürenritt schon Teil des Soundtracks war - wobei sich allerdings die Frage stellt, ob jüngere Käufer erwähnte Filme wie Fellinis Achteinhalb (1963) oder Apocalypse Now (1979) überhaupt noch kennen?
Daher wird sicherheitshalber auch gleich noch hinzugefügt, dass diese Musik ja auch noch in unzähligen Videospielen, bei den Simpsons (und weiteren Serien) und natürlich auch in der TV-Werbung eingesetzt wurde. Was andernorts eher wie ein Vorwurf aufgefasst werden könnte, wirkt in diesem Umfeld irgendwie gleich wie ein Ritterschlag: „Wagners Mucke in der Werbung? Na, dann kann die ja so schlecht nicht sein!“ Oh, Mann…

Wagner – Heavy Classix macht den Einstieg in Wagners Universum spielend leicht - dieser Slogan klingt wie eine Mischung aus Gebrauchsanweisung und Beschwichtigungsversuch ("Sooo schlimm isses doch gar nicht!") für unverständlicherweise nach all diesen Verheißungen immer noch Zögernde...

Naja, ob man mit diesem flott designten Produkt tatsächlich die angepeilte Zielgruppe erreichen und mit der zusammengestellten Musik dann sogar begeistern wird? Skepsis sei mehr als angebracht.
Immerhin – die gelegentlich zu beobachtenden Versuche, sich mehr oder (meistens eher) weniger gelungen mit „aufgemotzten“ Produkten wie diesem an ein junges Publikum ranzuschmeißen (oder anzubiedern), haben meist etwas rührend Naives und/ oder unfreiwillig Komisches an sich. Es ist halt ein Problem, wenn die so verpackte Ware nicht wirklich den Nimbus "hip und trendy" besitzt - muss man das Ganze denn dann trotzdem verkrampft bis verzweifelt dermaßen albern aufpeppen?

Mich würde wirklich mal interessieren, ob eine Strategie wie diese auch nur im Ansatz aufgeht und die gewünschte Käufergruppe hier tatsächlich mal spontan zugreift um sich auch mal mit klassischer Musik zu versorgen???
Aber das wird man wohl leider nie erfahren…

Immerhin – für ein Schmunzeln und diesen Beitrag war das Ganze auf jeden Fall gut.