Mittwoch, 18. September 2013

Fundstück der Woche

Zunächst mal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich mich hier in den letzten Wochen sehr rar gemacht habe, aber seit meinem Jobwechsel im August habe ich kaum noch Zeit (und Energie) für andere Dinge – ich gelobe jedoch Besserung und bin zuversichtlich, dass ich mich demnächst hier wieder etwas häufiger und auch regelmäßiger zu Wort werde melden können.

Heute habe ich mal wieder ein hübsches kleines „Fundstück“ zu präsentieren:

Diese interessant aufgemachte (und betitelte) Doppel-CD aus dem Hause NAXOS ist mir gestern buchstäblich als Zufallsfund in der (weiß Gott nicht allzu üppig bestückten) Klassikabteilung im Elektronikfachmarkt um die Ecke in die Finger geraten.
Ich gebe zu, dass mein Interesse sofort geweckt war (womit der Werbeeffekt dieses Produkts bereits erfolgreich war!) – mich interessieren (und amüsieren) bekanntlich seit Längerem die verschiedenen Marketingstrategien, die die Plattenfirmen so verfolgen, um mit ihren Produkten neue, „klassikferne“ Käuferschichten zu erreichen und anzusprechen – ich erinnere unter anderem an die coole Best of Richard Wagner-CD im Metallic-Look, die in diesem Frühjahr dem Bayreuther Ringeschmied neue Fans einbringen sollte...

Dass man zu klassischer Musik gut chillen kann, ist sicherlich keine allzu neue Erkenntnis, da sind in den letzten Jahren auch schon etliche CDs mit entsprechend mehr oder weniger geeigneten Zusammenstellungen erschienen, die häufig mit originellen Slogans wie „Klassik zum Chillen“ oder – noch trendiger und internationaler - „Classical chill-out“ auf den stylishen Covern mithilfe dieses Zauberwortes um die Aufmerksamkeit einer jungen, modernen und hippen Zielgruppe buhlten.

Mich würde wirklich interessieren, ob solche Strategien eigentlich aufgehen, was für die klassische Musik an sich ja dann wohl eher ein positiver Effekt wäre – wen kümmert dann noch die albern-anbiedernde Aufmachung des Ganzen?
Dass es sich aus kommerzieller Sicht ganz offenbar lohnt, sich hier ein bisschen mehr oder weniger unverhohlen „ranzuschmeißen“, um an den oder die zielgruppenfremden Käufer dieser Klassik-CDs zu kommen, zeigt die Tatsache, dass seit Jahren fast kein Label auf derartige Kompilationen verzichten kann oder möchte: Unzählige, immer wieder neu aufgelegte Serien erscheinen regelmäßig zu modernen „Lifestyle-Trends“ wie Wellness, Meditation, Chill-out, Relaxen, positive Energie tanken, etc.

Mich ärgern diese oft gleichermaßen einfalls- wie lieblos gemachten Zusammenstellungen immer sehr: Kennt man eine (oder von mir aus auch zwei) dieser „Klassik für die Sinne“-CDs, kennt man sie eigentlich auch schon alle: Die Tracklists sind – egal, welche man zur Hand nimmt - fast unverändert. Man trifft hier immer wieder auf denselben eisernen Grundbestand der „üblichen Verdächtigen“ von Bachs Air über Beethovens „Für Elise“, Schumanns „Träumerei“, Mozarts „Kleine Nachtmusik“, etc.! Da macht sich offenbar (fast) niemand mal wirklich ernsthaft Gedanken um eine originelle Titelzusammenstellung, die das Produkt dann wohltuend aus der Masse der Mitbewerber heraushebt...

Nun also der neuste Beitrag zum Thema aus dem Hause NAXOS. Neben dem obligatorischen Zeit zum Chillen hat mich vor allem der Titel KLASSIK ohne Krise gleichermaßen amüsiert wie irritiert: Ich glaube, das hatten wir bislang auch noch nicht als CD-Titel - "Klassik" und “Krise" (bzw. die Zusicherung, dass die Klassik auf dieser CD eben keine solche auslöst?!?)…

Was wollen uns die Macher dieses CD-Covers damit sagen?
Wenn ich mir den ultracoolen (klischeebehafteten) Clubgänger auf dem Foto ansehe, kommt mir spontan eine (klischeehafte) Äußerung wie „Boah, isch krisch voll die Krise, Alter!“ in den Sinn. Sollte sich dieser offensichtlich krisengefährdete Bursche also besser die Musik auf dieser Doppel-CD anhören, um einer wie auch immer gearteten Krise (nervlich, finanziell, intellektuell) zu entgehen?

Gerade das Wort „Krise“ ist in den letzten Jahren ja über alle Maßen in sämtlichen Nachrichtensendungen und Zeitungen strapaziert worden – wollte man am Ende gar auf diesen fragwürdigen Zug aufspringen? Oder klarstellen, dass sich die klassische Musik – allen Unkenrufen zum Trotz – eben nicht in einer Krise befindet?

Man weiß es nicht…

Erfreulich immerhin die Tatsache, dass sich auf den beiden CDs neben einigen obligatorischen Stücken (wie z. B. Beethovens 2. Violinromanze oder dem 2. Satz aus seinem 5. Klavierkonzert) dann doch auch einige originelle und unerwartete Beiträge finden (z. B. der 2. Satz aus Webers 1. Klarinettenkonzert, dem Andante aus Mendelssohns 1. Klavierkonzert, dem Andantino aus Rossinis 1. Sonate für Streicher oder dem Adagio aus Josef Suks Streicherserenade)!

Bedenklich (und damit nicht unbedingt „chill-out-tauglich“) finde ich bei dieser Zusammenstellung allerdings die hohe Anzahl langsamer Sätze, die, statt sich einer heiter-behaglichen Entspanntheit hinzugeben, sich eher in ausgesprochen melancholisch-tragischen Stimmungen herumsuhlen (z. B. Samuel Barbers Adagio für Streicher, Tschaikowskys Sérénade mélancolique und Chanson triste, der Letzte Frühling aus Griegs Elegischen Melodien sowie Ases Tod aus der Peer Gynt-Suite - allein diese Titel sprechen ja schon Bände…)!

Alles fraglos schöne Musik, aber ob gerade diese Sätze beim unvoreingenommen chillwilligen (klassikunkundigen) Käufer beim Anhören nicht dann doch eine Krise auslösen?
Und da heißt es dann: „Boah Alter, dat Zeug macht misch voll depri, ey!!“ – und das will am Ende doch keiner, oder? ;-)