Montag, 24. März 2014

Neuerwerbung: Dagmar Manzel - MENSCHENsKIND

Die gebürtige Berlinerin Dagmar Manzel ist – wie ich finde - eine wirklich faszinierende Künstlerin:
Unglaublich vielseitig, merklich stets auf der Suche nach neuen künstlerischen Herausforderungen und sie steckt – spürbar für jeden Zuschauer – all ihre schier unerschöpfliche Energie und Herzblut in jedes ihrer Projekte und in jede der von ihr verkörperten Rollen!

Sie verfügt über eine unglaubliche Bühnenpräsenz und versteht es, ihr Publikum mitzureißen und in ihren Bann zu ziehen – was könnte man Besseres über eine tolle Schauspielerin sagen?
Ach ja – Singen und Tanzen kann sie auch noch! :-)
Seit ich Dagmar Manzel im Jahr 2010 in der Titelrolle von Cole Porters Erfolgsmusical Kiss me, Kate auf der Bühne der Kölner Oper erleben durfte, bin ich ein Fan dieser großartigen Künstlerin!

Daher bin ich auch direkt hellhörig geworden, als im Februar bei der Deutschen Grammophon ein Album mit dem Titel MENSCHENsKIND erschienen ist!

Dagmar Manzel interpretiert hier Songs/ Lieder/ Chansons (man möge sich die Bezeichnung herauspicken, die einem am zutreffendsten erscheint) von Friedrich Hollaender (1896-1976).

Friedrich Hollaender? Ein Name, der heute nicht mehr allzu vielen Leuten etwas sagen dürfte – leider! Gehört hat man den Namen vielleicht sogar schon mal, aber welche Musik verbindet man mit ihm?
Nun, Hollaender war in der Theater- und Kabarettszene des Berlins der “wilden Zwanziger“ eine feste Größe, er arbeitete mit vielen bekannten Dichtern, Musikern, Komponisten, Regisseuren, Schauspielerinnen und Schauspielern zusammen – und wie so viele seiner Zeitgenossen musste auch er Deutschland mit dem Ende der Weimarer Republik 1933 verlassen. Er emigrierte in die USA und kehrte in den 1950er Jahren nach Deutschland zurück, konnte aber nie wieder an seine großen Erfolge aus den 1920er und frühen 1930er Jahren anknüpfen – ein Schicksal, das er leider ebenfalls mit vielen von den Nazis vertriebenen Künstlern teilte…

Schon in jungen Jahren hatte der klassisch ausgebildete Pianist Hollaender sein Improvisationstalent bei der Begleitung von Stummfilmen bewiesen; konsequenterweise blieb er dem Medium Film zeitlebens treu: Nach dem Aufkommen des Tonfilms Ende der 1920er Jahre komponierte er die Soundtracks zu mehreren Filmen, zuerst noch in Berlin wie auch später dann im Exil in Hollywood.
Das Jahr bescherte 1930 ihm seinen größten Erfolg mit der Musik zum Film Der blaue Engel: Die dort von Marlene Dietrich gesungenen Lieder, allen voran “Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ sichern Friedrich Hollaender bis heute einen gewissen Bekanntheitsgrad – wobei es leider so ist, das viele Menschen zwar ein oder mehrere Lieder aus Der blaue Engel zumindest vage im Ohr haben, die wenigsten jedoch wissen dürften, wer sie komponiert hat!

Beachtlich finde ich, dass Friedrich Hollaender in der Regel nicht nur die Musik sondern auch die Texte zu seinen Liedern selbst verfasste – da sind eine ganze Menge wunderbarer, scharfzüngig-spritziger Juwelen aber auch sozialkritischer Texte (er war ja in der Kabarettszene tätig) darunter!
Man merkt den Texten durchaus ihre Entstehungszeit an – wer sich ein bisschen mit den spannenden Jahren der Weimarer Republik und speziell der Berliner Szene dieser Zeit befasst, Texte und Gedichte von Autoren wie Bert Brecht, Kurt Tucholsky oder Erich Kästner liest, der erkennt den charakteristisch schnoddrigen Berliner Tonfall, die ironische Distanz zum Beschriebenen und natürlich die gesellschaftskritische Haltung auch in Hollaenders Texten wieder.

So gesehen ist die neue CD von Dagmar Manzel allein schon unter diesem Aspekt eine hochwillkommene Bereicherung – eine Hommage an einen bedauerlicherweise viel zu unbekannt gebliebenen Künstler!

Für den wirkungsvollen Vortrag dieser Lieder dürfte es wahrscheinlich eher hinderlich sein, wenn man über eine ausgebildete Operngesangsstimme verfügt. Das Ganze sollte eher zwischen Rezitation, Sprechgesang und einem nicht allzu geschliffenen und hochglanzpoliertem Gesang changieren, um dem Charakter dieser Stücke wirklich gerecht zu werden.

Und genau diese Mischung setzt Dagmar Manzel wirklich überzeugend um: Sie erzählt, gurrt, leiert, haucht, krächzt und - - singt natürlich dort, wo es angebracht ist! Dabei wahrt sie stets einen teils lakonischen, teils leicht ironisch-distanzierten Tonfall, was dem ganzen Vortrag zusätzliche Würze verleiht, denn so kommen die ja überwiegend aus dem Kabarettbereich stammenden Texte am wirkungsvollsten zur Geltung.
Begleitet wird sie von Michael Abramovich am Klavier, der in einigen Songs auch das Orchester der Komischen Oper Berlin leitet.

Man kann gar nicht anders – man muss einfach zuhören, so sehr fasziniert einen die Vortragsweise Manzels!
Nie weiß man, was einen in der nächsten Zeile an überraschenden Wendungen und Ideen erwartet und auf welche Art und Weise dies dann vorgetragen wird – das spricht sowohl für die Performance der Künstlerin wie aber natürlich auch für die tollen Texte Hollaenders!

Unter den 19 Liedern auf der CD findet sich natürlich auch “Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ - in der deutschen wie auch in der englischen Version (“Falling in love again“), wobei ich mir statt dieser Dublette viel lieber noch einen zweiten (oder dritten) Song aus diesem berühmten Film gewünscht hätte!

Ebenfalls sehr bekannt auch das Lied “Ich weiß nicht, zu wem gehöre“, aus dem Film Stürme der Leidenschaft von 1932, mir persönlich gefallen aber die ausgesprochen witzigen, teils mit berlinerischem Dialekt angehauchten Songs wie “Das Nachtgespenst“, “Die Kleptomanin“ oder “Circe“ noch viel besser, wobei es schwer fällt, sich bei diesem sehr breit gefächerten Angebot zu entscheiden.
Sehr beeindruckend auch die zwischen beißender Sozialkritik, bitterbös-sarkastischer Komik und Melancholie changierenden Stücke aus der Sammlung “Lieder eines armen Mädchens“, wie das “Wiegenlied an eine Mutter“, “Wenn ick mal tot bin“, “Drei Wünsche (Ick möchte Klavier spielen könn‘)“ oder die Szene “Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“, die das bekannte Märchen von Hans Christian Andersen nacherzählt und mich sehr beeindruckt hat – das hat mit der von so vielen als leichtgewichtiger und damit nicht ernst zu nehmender Unterhaltungsmusik nichts mehr zu tun!

Auch in Stücken wie diesen drückt Dagmar Manzel nie auf die kitschige Tränendrüse (das geben aber auch weder Text noch Musik her) sondern bleibt dem Grundtenor eines scharf beobachtenden, zugleich aber immer irgendwie distanzierten Beobachters treu, der Missstände aufzeigt und schonungslos beschreibt, irgendwelche daraus zu folgernden Wertungen jedoch dem Zuhörer überlässt.

Schade nur, dass im CD-Booklet neben den abgedruckten Liedtexten (was eigentlich bei der fantastischen Textverständlichkeit, mit der Dagmar Manzel das alles vorträgt, gar nicht mal notwendig gewesen wäre!) eine nur sehr allgemein gehaltene Lebensbeschreibung des beim heutigen Publikum ja leider nicht mehr allzu bekannten Friedrich Hollaenders enthalten ist (“Ein Mann seiner Zeit“); man hätte sich in jedem Fall noch zusätzliche Infos zu den einzelnen Liedern gewünscht, aus welchen Filmen oder Revuen sie stammen (da werden in der Tracklist lediglich ein paar nicht weiter kommentierte Titel genannt) und auf welche eventuell zeitgebundenen Ereignisse sie Bezug nehmen (z. B. bei “Das Nachtgespenst“) - das ist ein wirklich bedauerliches Versäumnis und eine vertane Chance!

Trotzdem handelt es sich bei dieser CD um eine ausgesprochen erfreuliche Neuerscheinung – die überzeugende Kostprobe der Vielseitigkeit einer großen Künstlerin und eine Hommage an einen leider viel zu sehr in Vergessenheit geratenen Komponisten und Textdichter!

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