Freitag, 12. September 2014

Jean-Philippe Rameau - 250. Todestag

Und noch ein berühmter Komponist des 18. Jahrhunderts, für den in diesem Jahr ein runder Gedenktag ansteht:

Heute vor 250 Jahren starb Jean-Philippe Rameau in Paris im Alter von fast 81 Jahren (geboren wurde er in Dijon; man kennt jedoch nur sein Taufdatum: 25.09.1683).

Rameau hat eine für einen Opernkomponisten sehr ungewöhnliche Karriere gemacht – er war nämlich (als Sohn eines Organisten) für viele Jahre vor allem als Organist an verschiedenen Kirchen, unter anderem in Avignon, Clermont, Paris und Dijon tätig; über viele Jahre ist sein Lebenslauf allerdings eher lückenhaft überliefert. Ab 1722 ließ er sich dann dauerhaft in Paris nieder.

Rameau war zunächst als Komponist mehrerer Sammlungen mit Cembalomusik hervorgetreten, daneben hatte er auch ein paar Kantaten und Chorwerke geschrieben – bekannt war er aber vor allem durch seine musiktheoretischen Schriften geworden, die – aus heutiger Sicht – die moderne Harmonielehre begründen und für Musikwissenschaftler eine tragende Säule und unverzichtbare Grundlage ihrer Arbeit bilden, zu erwähnen sei hier vor allem sein Traité de l’harmonie aus dem Jahr 1722.
Ein Meilenstein in der Rameau-Diskographie: Die 1995 erschienene Einspielung von Rameaus Opern-Erstling unter der Leitung von Marc Minkowski

Nach einigen Erfahrungen in der Disziplin der Orchesterleitung kam der große künstlerische Wendepunkt in Rameaus Leben im Jahr 1733 mit der Uraufführung seiner ersten großen Oper Hippolyte et Aricie, die auf der 1677 entstandenen Tragödie Phèdre des französischen Klassikers Jean Racine basiert. Rameau hat die Oper im Rahmen späterer Neueinstudierungen in den Jahren 1742 und 1757 jeweils erneut umgearbeitet und vor allem die Ballettszenen erweitert.
... neues Cover, gleicher Inhalt: Die mustergültige Aufnahme von Marc Minkowski

Diese Oper steht ganz in der musikalischen Tradition der Kompositionen des „Übervaters“ der französischen Barockoper, Jean-Baptiste Lully (1632-87), dessen Musik in Frankreich auch fast 50 Jahre nach seinem Tod noch ausgesprochen präsent war und entsprechend gepflegt und bewundert (und dementsprechend auch nachgeahmt) wurde.

Lully hatte es verstanden, seinen Einfluss am Hofe des Sonnenkönigs Louis XIV. derart auszubauen, dass es neben ihm zu seinen Lebzeiten keinen anderen geduldeten Opernkomponisten am Hofe von Versailles gab und er konnte sich über viele Jahre in der uneingeschränkten Gunst des legendären Monarchen sonnen.

Dieser Ruhm und der aus seiner Musik resultierende künstlerische Einfluss wirkte sich auf viele nachfolgende französische (aber auch ausländische) Komponisten aus: Entweder man komponierte à la Lully oder man hatte keine Chance auf nennenswerten Erfolg, vor allem nicht im Operntheater – und schon gar nicht bei Hofe!

Im Gegensatz zur italienischen Oper der damaligen Zeit, deren Publikum stets nach Neuem und Unverbrauchtem verlangte, bildete sich somit im französischen Opernrepertoire schon Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts so etwas wie ein festes Repertoire heraus, das entsprechend gepflegt und wertgeschätzt wurde – natürlich mit Lullys Opern im Mittelpunkt!

Als nun Rameau mit Hippolyte et Aricie quasi wie aus dem Nichts und im stolzen Alter von immerhin schon 50 Jahren seine erste Oper präsentierte, war das französische Publikum - bis hin zu seiner Majestät Louis XV. - begeistert und hingerissen von dieser farbenprächtigen, modernen Musik, die trotzdem ganz in einer gekonnt in die Zukunft geführten Lully-Traditionslinie stand!

Ab da folgen nun unablässig neue Opernkompositionen verschiedenster Gattungen des nun schlagartig berühmten, mit zahlreichen Ehrungen versehenen und in den Folgejahren tatsächlich auch anhaltend erfolgreichen Rameau, z. B. Les Indes galantes (1735), Castor et Pollux (1737, für Neueinstudierungen 1754 und 1764 vom Komponisten umgearbeitet),

Les Fêtes d'Hébé und Dardanus (1739),

Platée (1745), Pygmalion (1748), Zoroastre (1749), Les Paladins (1760).
Diese CD-Box erschien anlässlich des 250. Todestages Rameaus und enthält von der Kritik hochgelobte Einspielungen (aus den letzten 40 Jahren) mehrerer Opern und Ballettmusiken, darunter: Hippolyte et Aricie (William Christie); Les Indes galantes (Jean-Francois Paillard); Castor et Pollux (Nikolaus Harnoncourt); Les Fêtes d’Hébé (William Christie); Dardanus (Raymond Leppard); Platée (Marc Minkowski); Pigmalion (Nicholas McGegan); Les Surprises de l’Amour (Marc Minkowski); Nais (Nicholas McGegan); Zoroastre (William Christie); La Guirlande (William Christie); Zephyre (William Christie); Les Boréades (John Eliot Gardiner)

Wie in französischen Opern üblich herrscht in diesen Werken ein munterer Wechsel zwischen Instrumentalstücken, Ballettszenen, rezitativischen Dialogszenen, kleineren, liedhaften Arien (die keinesfalls mit den groß angelegten, sehr kunstvollen Arien der zeitgleich entstehenden italienischen Opern zu vergleichen sind!) und Rameau erweist sich als wahrer Meister der abwechslungsreichen, farbigen Orchesterbehandlung!
Das Klischee vom verfeinerten französischen Geschmack – hier in Bezug auf Musik und Theater – hat schon seine Existenzberechtigung… ;-)

Nach seinem Tod im Jahr 1764 hinterließ er erneut eine schmerzliche Lücke im Bereich der Oper, die erst nachhaltig durch das Erscheinen Christoph Willibald Glucks in Paris im Jahr 1774 geschlossen werden konnte, der mit seinen reformatorischen Ideen (und nicht zuletzt der gekonnten Verschmelzung italienischer und französischer Einflüsse) der Oper wiederum eine ganz neue, zukunftsweisende künstlerische Ausrichtung mit auf den Weg gab und dem Musiktheater somit ganz neue Energien und eine neue, so noch nicht gekannte Ausdrucksintensität verlieh.
Rameau-Experte Minkowski begeistert hier mit der fantasievollen Zusammenstellung einer Reihe instrumentaler Sätze aus verschiedenen Opern des großen Franzosen - eine tolle Interpretation!

Lange in Vergessenheit geraten (wie so viele Komponisten des Barock), erlebt Rameaus Musik seit etwa 40 Jahren eine zunehmende Renaissance und nicht nur an französischen Opernhäusern begegnet man zumindest einigen seiner Werke heute wieder mehr oder weniger regelmäßig.
Auch Frans Brüggen überzeugt mit historischem Ensembleklang und einer Auswahl diverser Orchestersätze aus Rameau-Opern

Ich selbst muss zugeben, dass ich mir eine Oper von Rameau lieber auf der Bühne anschaue und –höre als auf CD konserviert.
Hier steht und fällt das Ganze mit wirklich exzellenten Interpretationen, die einen beim bloßen Zuhören schon packen und mitreißen und durch ihre plastische, energiegeladene Wiedergabe der Musik das fehlende Bühnengeschehen beim Hörer quasi ersetzen. Dieses Kunststück gelingt leider nicht immer.

Italienische Barockopern sind mir zum bloßen Anhören einfach lieber, da sie ja von ihrer Konzeption her eigentlich eh nichts anderes darstellen als „virtuose Gesangsrevuen im Kostüm“ (um das jetzt mal ganz geringschätzig zu formulieren!) und man somit auf den meist eh austauschbaren szenischen Aspekt meiner Meinung nach getrost verzichten kann.

Französische Opern von Lully, Rameau & Co. haben viel eher den Anspruch eines Gesamtkunstwerks, da es hier eben nicht nur auf den Gesangsaspekt sondern eben auch den optischen Eindruck ankommt, der durch die zahlreichen szenischen Effekte, Tanzeinlagen und Chorauftritte bestimmt wird.
... noch eine rein instrumentale Rameau-Zusammenstellung, die daher auch Nicht-Opernfreunden gefallen dürfte!

Ohne diese optische Komponente ist für mich das bloße Anhören dieser Opern daher irgendwie immer etwas unvollständiges, zumal die Musik durch ihre Kleinteiligkeit beim bloßen Zuhören einen oft eher etwas unzusammenhängend zusammengewürfelten Eindruck hinterlässt (mir geht das jedenfalls so) – man kann sich nirgends so wirklich „Festhören“, es fehlt einfach der Aspekt des Zuschauens, um die großen Szenentableaus (die sich jeweils aus eben diesen vielen kleinen Musikstücken kunstvoll zusammensetzen) wirklich in ihrer künstlerischen Ganzheit erfassen und richtig würdigen zu können.

Gerne erinnere ich mich n dem Zusammenhang an eine gelungene Inszenierung von Castor et Pollux, die ich vor über 10 Jahren in Bonn besucht habe und natürlich an die tolle Aufführung der Platée, die ich Anfang des Jahres 2011 in Düsseldorf erleben konnte!

Im Rahmen solcher Aufführungen kann man am besten nachvollziehen, was den besonderen Reiz von Rameaus Opernkunstwerken ausmacht – ein lange vernachlässigter Komponist, bei dem es noch viel zu entdecken und genießen gibt!
Es muss halt nicht immer eine neapolitanische Opera seria sein, wenn es mal um barocke Opernkunst des 18. Jahrhunderts geht…

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